Ottery St. Catchpole » [Versteck] Verlassenes Haus

Cho saß in einer Ecke des alten Hauses und kaute unnachgiebig an ihren Fingern.
Ihr Körper wurde lediglich bedeckt durch einen Lumpen, den man früher wohl Kleid genannt hätte.
Heute war der Stoff so ausgebeult und ausgefranst, dass es wohl eher einem Kartoffelsack glich.
Ihre blauen Haare fielen der jungen Chinesin über die Schultern und sie wippte vor und zurück.
Vor und zurück.
Vor und zurück...
Plötzlich ging die Tür auf und Jet kam herein.
Er dagegen trug einen Anzug und feine Schuhe, die sehr passend waren.
Die eine Hand hielt er in der Hosentasche, mit der anderen rauchte er eine Zigarette.
"Zieh dir was an", bemerkte er, während der junge Mann an ihr vorrüberstiefelte und einen Koffer abstellte.

Nur ganz leicht hob sie ihren Blick und ihr verstörter Gesichtsausdruck nahm etwas undeffinierbares an.
Sie hielt mit dem Kauen ihrer Nägel inne und spreizte leicht die Finger, wobei ihre spitzen Fingernägel in ihre Mundwinkel fuhren und diese von Sekunde zu Sekunde immer weiter aufrissen.
Jet wandte sich zu ihr um, als sie sich nicht erhob und als er sah, was sie tat, zog er ein letztes Mal an seiner Zigarette, schnipste diese achtlos weg, beugte sich zu ihr runter und griff fest nach einem ihrer Arme.
"Hör auf damit, sag ich dir", kam es von ihm und er riss sie grob hoch.
Chos Blick nahm etwas leicht ängstliches an und Blut lief ihren ihren Lippen hinab.
Jets Blick verfinsterte sich daraufhin und er schüttelte sie.
"Los, hör auf. Ich gehe jetzt nochmal weg und wenn ich wieder hier bin und du hast dir etwas getan, werd ich dir etwas tun."
Daraufhin ließ er sie los und Cho fiel kraftlos zu Boden.
Kaum war Jet nach draußen gegangen und stieg in seinen Wagen ein, war von drinnen ein hysterisches Lachen zu hören.
Jedoch hörte er das selbst nicht mehr, ließ den Motor an und fuhr davon.

Jets Auto fuhr vor und er sprang sogleich hinaus.
Daraufhin öffnete er hinten die Tür, zog Chajek vom Rücksitz und brachte ihn hinein in das alte Haus.
Cho saß auf einem Stuhl und starrte gedankenverloren vor sich hin.
Im Grunde - um das noch zu sagen - war sie gar nicht wirklich hier in dieser Welt.
Sie lebte hier und das alles, aber empfand nur sich selbst als real.
Alles andere war für sie wie ein Traum, in dem sie mitspielte.
Nur sie selbst war wirklich hier.
Jet blickte kurz zu Cho und hatte Chajek immer noch bei sich.
"Du solltest doch etwas überziehen, hab ich gesagt. Cho, du machst mich noch fertig."
Leicht mit dem Kopf schüttelnd, lief er zu einer knarrenden Treppe, ging diese mit dem bewusstlosen Chajek hinab und öffnete unten eine starke Tür, bei der er selbst viel kraft aufbringen musste, um diese zu öffnen.
Drinnen war alles stockdunkel und er ließ Chajek zu Boden fallen.
Schließlich drehte er sich auf dem Absatz um, verschloss die Tür von außen gut und ging wieder hinauf.

Chajek lag regungslos auf dem Boden seine Sonnenbrille war runter gefallen, als Jet ihn los gelassen hatte.
Noch eine gute Weile lag Chajek regunglos unten.
Mit der Zeit machten sich kleine Regungen seines Gesichts bemerkbar.
Ebenso die Finger von Chajeks rechten Hand, begannen allmählich schwach zu zucken.

In einer Ecke zusammengekauert saß Kaylin.
Sie war ein wenig zurückgeschreckt, als Jet hereingekommen war und hatte sich an der Wand den Kopf angeschlagen.
Jedoch verließ kein Laut ihre Lippen, denn die junge Asiatin war stumm.
Nicht von Natur aus, nein. Aber mit der Zeit war es dazu gekommen.
Auch nicht einfach so, denn es hatte seine Gründe.
Betreten sah sie zu, wie Jet ohne ein Wort verschwand und schlang die Arme um ihre Beine.
Der Blick des Mädchens ging zu dem bewusstlosen Chajek.
War er...tot?
Und auch als er sich langsam rührte, konnte sie es nicht genau wissen, da hier wirklich kein einziges Licht schien.

Jet war oben bei Cho und man konnte diese erst schrein und dann lachen hören.
Dabei machte sie sich überhaupt nicht die Mühe leiser zu werden, denn wie schon gesagt...sie war die einzige reale Person.

Es dauerte noch gut einien langen Moment und dann endlich öffnete Chajek langsam seine Augen.
Leicht stöhnte er auf.
Sein Kopf brummte und er fühlte sein Körper fast nicht mehr.
Was war passiert?
"Ah verdammt", grummelte er und kniff seine Augen zusammen.
War das hier etwa ein Keller?
"Mm", machte er und verzog unweigerilch sein Gesicht, nur mit Mühe schaffte er es sich aufzurichten, so dass er auf dem Boden sitzen konnte.
Sein Blick fiel geradeaus zu der Tür, zumindest, glaubte er dass es sowas wie eine Tür war.
Es hatte nun mal einen dunklen Umriss.
'Wie bin ich hier bitteschön hergekommen?
Also allein ganz bestimmt nicht!'

Schließlich war von oben her erstmal nichts mehr zu hören.
Kaylin fragte sich, was wohl passiert war. Ihre aufmerksamen Ohren lauschten noch etwas, doch dann war ihre Aufmerksamkeit wieder auf Chajek gerichtet. Innerlich atmete das Mädchen erleichtert aus, als er sich aufsetzte und vor sich hin murmelte.
Also war er doch nicht tot! Wie erleichternd das war!
Wirklich, mit einer Leiche hier, da wäre sie ehrlich noch zu Grund gegangen.
Um Chajek nicht zu erschrecken, griff sie sich die fast runtergebrannte Kerze und entzündete sie mit einem letzten Streichholz.
Die kleine Flamme leuchtete auf und nun konnten die beiden alles sehr viel besser sehen.
Die Wände des Kellers waren modrig und alt.
Hier und da sah man dicken Flecken und oben in den Ecken hingen Spinnweben, mit ihren Bewohnern.
Der Boden hier war eiskalt.

Chajek hatte sich mittlerweile schon etwas wieder im Griff, allerdings hatte er die Laute von oben nicht wirklich erfahren, da er mit seinem Kopf noch mühe gehabt hatte.
Als auf einmal hinter ihm das Licht angezündet wurde und er seinen Schatten nun am Umriss der Tür sah, machte er grosse Augen.
Verblüfft drehte er sich um und was er endteckte war Kaylin.
Leicht schluckte er und nickte ihr zu.
Sein Blick ging dann nach oben zu den Spinnweben und dessen Mitbewohner, nun wurde es Chajek etwas unwohl zu Mute und erhob sich.
Chajek trat zu dem Mädchen nach hinten.
"Sag einmal, was ist das hier?
Ich versteh zwar, dass das hier nicht gerade nach ner alltäglichen Behausung aussieht, aber hier zu landen ist mit dementsprechend unklar", äusserte er sich nun etws kläglich lächelnd, so richtig mit halben Humor brachte er das nicht herrüber..
Mit anderen Worten, Chajek wollte erfahren, wessen Idee das war und was das sollte.
"Bist du schon lange hier?", Chajek musterte das Mädchen vor sich.

Aber Kaylin konnte ihm keine Antwort geben. So sehr sie auch wollte.
Ihre Lippen hielt ein unsichtbares Sigel geschlossen, das eigentlich nur aus ihrem inneren heraus enstanden war.
Leicht öffnete sie den Mund, um ihm zu zeigen, dass sie nicht sprechen konnte.
Daraufhin fuhr sie sich mit der Hand an die Lippen und schüttelte bedenklich den Kopf.
Wenn Chajek genau hinsah, konnte er erkennen, wie schlecht das Mädchen eigentlich aussah.
Ihre eigentlich bildhübsche Ausstrahlung war sehr enstellt, indem sie so dasaß.
Das Mädchen war in Lumpen gekleidet und sie zitterte für sich.
Ihre Beine waren mit Dreck und Blut beschmutzt und an ihrem Hals zeichnete sich eine Narbe entlang.

Chajek erschrak, als er die Narbe an ihrem Hals erst jetzt bemerkte.
Auch die Lumpen die sie trug und die Blutspuren, fielen ihm erst jetzt richtig auf.
'Das sieht gar nicht gut aus!'
Chajek wurde es daher gleich klar, dass sie beide nicht hierher gehörten.
Er beugte sich zu ihr runter.
"Sag, wer hat dir das angetan?", fragte er sie.
Doch es war klar, dass sie nicht sprechen konnte, aber das liess ihn nicht beirren.
"Also warte mal.
Das war äh... ein Mann, ganz bestimmt keine Frau, ja?
Äh... er hat dich entführt?
Uns beide?
War es derselbe, oder gibt es noch mehrere von den Ardgenossen?"
'Ardgenossen, ein bessseres Wort fällt dir jetzt auch nicht ein, was?
Oh Mann, Chajek.
Bleib bitte ruhig, das ist mehr als ernst!'

Jet hatte das Haus wieder verlassen, um einige Erledigungen zu machen.
Er hatte sich nicht von Cho verabschiedet...das tat er eigentlich nie.
Und ohnehin wäre es niemals wirklich zu ihr hindurchgestiegen, dass Jet sie so oft allein ließ.
Die junge Frau saß grinsend am Fenster, legte eine Hand daran und von einer auf die nächste Sekunde hämmerte sie wie wild dagegen.
Ein Häschen hüpfte nämlich kaum weiter weg vorbei und sie bekam Lust, dieses für sich zu haben.
Schnell stand Cho auf, lief hinaus und rannte wie eine Verrückte hinter dem kleinen Tierchen her.
Als sie es erreichte, fiel sie darauf los und fing es grob mit bloßen Händen ein.
Dass das Tier biss und ihre Hände riesige Wunden bekamen, störte die Asiatin nicht im geringsten.
Ein Glanz stieg in ihre Augen, während sie sich aufrichtete und das Häschen mit sich nach Hause nahm.

Kaylin schluckte. Es war so ungewohnt, jemand normalen hier unten zu wissen.
Fast schon fremd war ihr das, weil sie bis jetzt sonst immer allein gewesen war.
Sie atmete hörbar aus und sah sich suchend um.
Daraufhin wies sie Chajek in die andere Richtung, wo viel Staub und Schmutz lag.
Kaylin richtete sich zitternd auf, lief auf ihren nackten Sohlen in diese Richtung, beugte sich hinab und schrieb einige Worte in den Schmutz, mithilfe ihres Zeigefingers.

Ich weiß ihre Namen nicht, aber sie sind verrückt. Glaub mir. zumindest die Frau. Auf die musst du Acht geben!

Chajek hatte leicht inne gehalten als sie aufgestanden war und zu der Ecke ging, an der es besonders schmutzig war.
Neugierig sah er zu was sie da machte.
Chajek trat neben sie, jedoch schluckte er hart.
Er konnte nicht lesen und wieder einmal merkte er, wie nützlich das doch wäre!
Chajek seufzte und hielt sie an der Hand fest, er kniete sich zu ihr runter und sah sie ruhig und offen an.
"Es nützt nichts.
Auf diese Weise kannst du's mir nichts erzählen...
Aber vielleicht, kann ich es ja heraus finden", er sah weiterhin zu ihr, dieses mal aber erwartungsvoller.
"Ist es äh... war es ein Europäer?
Du weisst schon, blasse, Langnasen Menschen.
War es Ian? Ian Bailey?
O-oder Neilson?", unwillkürlich fiel ihm nämlich das ein, wofür ihm Chan mal gebittet hatte.
Er hatte den Verdacht gehabt, Neilson hatte jemanden entführt.
"Sind wir bei Neilson, Mädchen?", betroffen sah er sie an.

Kaum kam die junge Frau wieder hinein in das Haus, blickte sie wahsinnig lächelnd auf das Tierchen hinab.
Dieses jedoch...war schon tot. Sie hatte es mit bloßen Händen zerquetscht, ohne es zu merken.
Und auch dass es jetzt tot war, drang nicht wirklich zu ihr durch.
Sie war nämlich der festen Überzeugung, es würde schlafen!
"Los, wach auf!, kreischte Cho lauthals und knallte das leblose Tier auf den Tisch.

Kaylin hielt mit dem Schreiben inne, als er sie an der Hand festhielt und sie sah auf zu ihm.
Er konnte nicht lesen? Oh nein, wie schrecklich. Dann konnten sie ja gar nicht kommuinizieren.
Leise atmete die Asiatin aus und ließ den Arm sinken.
Schließlich, als er sie fragte, ob es Europäer gewesen waren, schüttelte sie bestimmt den Kopf.
Hingegen zeigte sie auf sich, um zu zeigen, dass sie eher von Asien stammten und nicht aus Europa oder gar Amerika.
Das Mädchen richtete sich auf und versuchte eine Handbewegung zu machen.
Erst wies sie auf ihre Haare, damit er sehen konnte, dass sie eine Frau meinte.
Schließlich hob sie leicht den Zeigefinger, um zu zeigen, dass er noch nicht weiter schlussfolgern sollte.
Daraufhin hob sie ihre Haare an und knotete sie zusammen, so dass es aussah wie die Frisur eines Mannes.
Der Blick ihrer Augen nahm einen Moment etwas wahnsinniges an.
Nicht, weil sie selbst so war, sondern weil er ja gewarnt sein musste.

"Ah, okay.
Schon verstanden.
Ein Assiate also", er nickte und beobachtete sie afumerskam, wie sie anfing ihm was vor zu machen, um so ihm das alles mitzuteilen.
Chajek hatte ihr mit grossen Augen zu gesehen.
Doch halt!
Was war das?
Er blickte hoch auf die Decke, hatte da jemand angefangen zu kreischen?
Leicht blinzelte, es hörte sich aber gar nicht wie ein Mann an.
Er sah zu ihr und sah ihren verrückten Blick, langsam glaubte Chajek zu verstehen und es beunruhigte ihn.
"Also dann haben uns... ein äh zwei, es sind zwei, ja?
Zwei verrückte entführt?
Zwei verrückte Assiaten?"

Kaylin schluckte und nickte.
Genau, er hatte es erfasst. Anscheinend waren ihre Handzeichen doch nicht allzu schlecht. xD
Beklommen ging ihr Blick hinauf, wo Chos Schreie noch nachhalten und sie schloss die Augen.
Das konnte ja nichts gutes bedeuten. Ob Jet noch hier war?
Einen Moment blickte das Mädchen zu Chajek und ging wieder zu ihrer Kerze zurück, wo sie sich niederließ.
Ganz gleich, ob nur einer von beiden hier war oder beide, es war gleich schlimm.
Wie lang war sie jetzt hier unten? Jahre? Jahrzehnte?
Sie wusste nur noch, dass die Entführung kurz nach ihrem 14. Geburtstag gewesen war. Oder doch schon früher?
Was war seit dem passiert in der Welt dort oben?
Wie gerne wollte sie den Jungen fragen! Wie gerne! Aber es ging leider nicht.

Cho oben hatte den Mund verzogen, als das Tierchen einfach keine Regung zeigte.
"Steh auf, hab ich gesagt!", ahmte die junge Frau Jets Stimmte nach.
"Steh auf...los, los! Steh auf."
Ihr Lachen wurde immer hysterischer und von einem Moment auf den nächsten war sie wieder total ruhig und begann an ihren Nägel zu knabbern.