Schottland » Wohnung von Louis Wang

Am Abend zuvor war Louis zusammen mit seinem Sohn hierher gezogen.
Er selbst war am frühen Morgen noch dabei, sein Arbeitszimmer einzurichten, während ihm unglücklicherweise ein paar Ordner vom vollkommen überfüllten Tisch rutschten. Ja, ja. Das war typisch.
Wenn man dachte, man hätte die zutune Arbeit bald hinter sich gebracht, machte man sich wieder neue.
Er seufzte, raffte die Anzugshose hoch und kniete sich hinab, um die Ordner alle wieder einzusammeln.
Na, hoffentlich würde Tony mal ein bisschen Gas dort oben geben.
Sonst würde dieser wohlmöglich noch seinen Zug verpassen.

Aber Tony oben dachte gar nicht daran, sich zu beeilen. Sollte er doch diesen bescheuerten Zug verpassen...egal.
Mit verschränkten Armen stand er oben vorm Spiegel im Badezimmer und zog unmissverständlich die Stirn kraus.
Zaubern...er wollte es zwar erlernen, aber anstatt sein Vater es ihm beibrachte, musste er schon wieder die Schule wechseln.
Langsam reichte es!
Der junge Chinese fuhr sich durch die Haare, griff sich schließlich seine Mütze und setzte diese auf.
Super.
Jetzt war er auch noch fertig und würde den Zug wohl doch noch bekommen.
Aber...ja, vielleicht kam er irgendwie drum herum, wenn er einfach tat, als hätte er noch vieles zusammenzusuchen?
Dummer Gedanke im Grunde genommen, da sich das meiste ja noch in den Koffern und Kisten befand.
Tony fuhr sich an die Stirn, trat zur Tür, öffnete diese, streckte den Kopf hinaus und lauschte.
Hmmm..

Louis war mittlerweile soweit, dass er alles an den richtigen Platz verfrachtet hatte, trat aus seinem Arbeitszimmer, lief den Gang entlang und beugte sich zu seiner Kiste, in der sich - wie er hoffte - die Getränke befanden.
Und tatsächlich. Er hatte Glück.
Louis schnappte sich ein Glas, goss etwas Saft hinein, stellte die Flasche achtsam auf den Boden zurück, nahm einen großen Schluck zu sich und wie sein Sohn oben, begann er nun auch zu lauschen.
Doch nichts.
Das konnte doch nicht wahr sein!
Dieser Junge...
Und es war schon viel zu spät.
"Tony, mach endlich, dass du hier runter kommst! Oder ich überlege mir das mit dem Katana! Los jetzt!"

Tony verdrehte die Augen, als er seinen Vater rufen hörte.
Er war gerade dabei, über den Gang in sein Zimmer zu schleichen, legte die Hand an die Klinke der Türe und hielt abrupt inne.
Wie? Er wollte es sich sonst überlegen?! Nein!
Das konnte er verdammt nochmal nicht bringen! Tony stöhnte innerlich auf.
Das war doch Erpressung, hey.
Dennoch lösten die Worte Louis' das Gewünschte in ihm aus, so dass er leise in sein Zimmer trat, alles mögliche Gepäck schnappte, damit wieder heraus kam und es die Treppe hinabwuchtete.
"Wer kam eigentlich auf die gloreiche Idee, das erst dort hochzubringen?", fragte er, dabei gut auf die Stufen achtend und nicht zu seinem Vater sehend.
"Derselbe, der Angst hat, dass sein Vater ihm nachschnüffelt."
"Berechtigt! Bei euch Erwachsenen kann man ja auch nie wissen."
Tony verzog den Mund und trat auch noch die letzte Stufe hinab.

Louis schmunzelte etwas über seinen Sohn, ging neben ihm vorbei in das Wohnzimmer und nahm sich von einem Karton den Autoschlüssel.
Schließlich kam er aber wieder zurück, zog sich die Jacke über und nahm Tony einen Koffer ab.
"Aber jetzt los", sagte er noch, trat eine Kiste zur Seite, dass sie genug Platz hatten und lief auf die Wohnungstür zu.
Tony wartete noch einen Moment. Ob er sich nicht vielleicht doch überreden lie-?
"Tony", ermahnte Louis, der schon draußen vor dem Haus wartend mit dem Schlüssel klirrte.
Abermals stöhnte der junge Chinese auf, doch so, dass sein Vater es hörte.
Sollte er ruhig sehen, was er davon hielt.
Dennoch schnappte er sich seinen Rucksack und den leichteren Koffer und folgte ihm hinaus zum Wagen, der nicht weit entfernd geparkt stand.
Louis war schon eingestiegen und ließ den Motor an.
"Sei lieber dankbar."
Tony verzog den Mund, schloss die Tür nach sich zu, dachte aber nicht daran, sich anzuschnallen.
Louis konnte im innern nur den Kopf schütteln, fuhr aber schließlich los mit ihm.

Bahnhof

Ein Auto fuhr vor und Kira stieg samt Louis aus.
Die beiden - Kira eher unwillig - liefen den Weg zum Haus hinauf und der Chinese klopfte auch sogleich an.
Von drinnen tönte es laut, doch alsbald öffnete sich die Türe und die beiden wurden hereingebeten.
Während des auf der einen Seite freudigen Wiedersehens, das gleichzeitig auch minder freudig ausfiel, sah sich Kira unbeeindruckt um.
Gott, und in so einem Loch wohnte ihr Cousin.
Sie wollte einfach nur fort von hier.
Und schließlich, nachdem Lu und Louis in ein tieferes Gespräch verfielen, verabschiedete sie sich schnell.
Es wurde ihr alle mal zu langweilig und sie wollte lieber erst mal ihre Freiheit genießen, bis wieder die Arbeit auf sie wartete.
Bi konnte sie genauso gut auch noch in zwei Wochen zur Strecke bringen..