Sirius' Anwesen » Empfangssalon

Hier ist der Empfangssalon.
Meistens werden die Gäste als erstes hierher gebracht, wo Gastgeber warten.
Der Raum ist bequem eingerichtet mit vielen Sesseln und Tischchen für Trink- und Essgelegenheiten.

Xenya trat durch das Empfangszimmer, in der sich auch Leandro befand und der jungen Frau beim hin und hergehen zusah.
Er selber war etwas skeptisch diesem Besuch gegenüber.
Das Edoardo zugesagt hatte, erstaunte ihn.
Ihm musste es wirklich am Herzen liegen, sich zu entschuldigen.
Anders hätte er keinen Grund gefunden, Xenya seine Abwartung zu machen.
Interesse konnte es kaum sein.
Der Graf interessierte sich nicht für Gesellschaft und Anstand.
Und während sie so hin und herging, sah sich Leandro verpflichtet, die junge Frau zu belehren.
„Mein Fräulein, vielleicht solltet Ihr-“
„Oh, das ich diese Ehre erleben darf den Bruder des Prinzen kennen zu lernen!“
Xenya war voller Erwartungen und Neugierde dem heutigen Tag gegenüber.
Leandro passte dieses unruhige Getue Xenyas nicht und er deutete auf einen Stuhl.
„Bitte, zeigt Anmut!“
Xenya blieb stehn und sie atmete hörbar aus.
Dann setzte sie sich und begann die Ärmel ihres schwarzen Kleides zu richten.
„Worüber ich noch mit euch sprechen wollte-“
„Achja, ich habe vergessen. Worüber?“
Leandro blickte Xenya mit einem tadelnden Blick entgegen und dieser dämmerte sogleich, was sie falsch gemacht hatte.
„Ich vergass“, korrigierte sie daher und ihr Lehrer gab sich zufriedener.
„Der Graf ist kein gutes Vorbild von Anstand und Sitte. Versucht sein Benehmen also nicht als…Vorlage für eure Studien zu nehmen! Möglicherweise wird er euch provozieren. Es wäre unklug das zu erwidern, Xenya. Eurem Verlobten habt Ihr Ehre zu erweisen, indem Ihr eine anständige-“
„Aber dennoch werde ich mich natürlich geben“, sagte Xenya entschlossen und man hörte draussen, wie sich das schwere Tor öffnete.
Xenya stand auf.
Sichtlich nervös, strich sie sich über das Haar und starrte zur Türe vom Empfangsaal.
„Bitte setzt euch wieder“, bat sie Leandro, der wie immer ruhig und sehr sachlich war.
Xenya biss sich leicht auf die Lippen, setzte sich dann aber.
„Gebt euch natürlich, ja, Aber nicht zu sehr.“
Xenya hob nun eine Augenbraue.
Sie richtete sich gerade auf an ihrem Stuhl und gab nun eine etwas beleidigte Seite von sich.
„Danke Leandro, das wäre dann alles“, meinte sie in kühlem Ton und dieser stand auf.
Er verneigte sich, woraufhin sie leicht nickte und er dann ging.
Kaum war Leandro gegangen, nahm Xenyas Haltung wieder etwas Unruhiges an.
Edoardo war schliesslich nicht irgendjemand. Er war der Dichter, dessen Literatur sie liebte und sehr schätzte. Ausserdem war er ein Brown. Sie hatte Joel schon keine Ehre erweisen können, daher fühlte sie sich durch diesen Besuch ein bisschen im Stande, das wieder gut zu machen. Zumindest zu einem kleinen Teil.
Ein Diener führte Edoardo hinein.
„Der werte Graf Brown, Miss“, kündigte dieser an und trat zur Seite.
Xenya stand auf und Edoardo trat ein.

Es war Edoardo, als stünde ihm das Herz gleich still.
Wie er sie sah, in ihrer Anmut und Glanz.
Hier stehend, in seiner unmittelbarer Nähe.
Wie gerne er geschrieben hätte, gerade jetzt.
Jeden Schritt, jeden Atemzug niedergefasst auf blankem Papier.
Gesucht hatte er sie, all die Jahre und nun endlich gefunden.
„Herr Graf, es ist mir eine Ehre, euch kennen zu lernen.“
Xenya hatte sich verbeugt und Edoardo wars, der sich fasste.
Er erwiderte die Verneigung und trat dann auf sie zu, während sie ihm ihre Hand anbot.
„Gnädigste“, sprach er mit tiefer Stimme und hauchte dann einen Handkuss auf ihre Schneeweissen Finger.
Xenya lächelte.
Sie hob einer Hand den Zipfel ihres Rockes, mit der anderen deutete auf die Sitzgelegenheiten.
„Ich habe viele eurer Stücke gelesen. Zugeben muss ich, auch diejenigen, die eurem Ruf nicht so bekommen sind. Doch gerade diese sind es, die ich von Herzen bewundere.“
Sie setzten sich dann und Xenya klingelte nach einem Diener.
Die Hauselfen wollte sie Edoardo ersparen.
Edoardo hatte sich Xenya gegenüber gesetzt.
Mit forschendem Blick sah er auf sein Gegenüber und sie konnte nicht sagen, was er jetzt fand.
Er schien kritisch zu sein, stimmte etwas nicht?
„Herr Graf, darf ich euch Wein aus dem Land meines Verlobten anbieten? Er ist vorzüglich und sehr wertvoll.“
„Ich ziehe einfachen Blutwein meiner Felder vor“, war seine Antwort darauf.
Xenya nickte einverstanden und sie wandte sich dann an den Diener.
„Du hast gehört, verschwinde!“
Sie lehnte sich dann zurück und wartete darauf, dass Edoardo etwas sagte.
Doch dieser tat es nicht.
Edoardo schwieg.
Das einzige, was er tat, war sie betrachten.
Ausgiebig und Xenya lächelte etwas unbeholfen.
Man hatte ihr gesagt, dass er ein schwieriger Mann war, der andere gerne blamierte.
„Es schmeichelt mir, gerade von euch eine Ent-“
„Es war forsch, vorher nicht nach eurem Haus zu fragen. Bei meiner Arbeit…vergesse ich schnell einmal die Formalitäten.“
Xenya faltete die Hände. Sie verstand das und hatte es ihm auch nicht übel genommen. Schliesslich war sie der Eindringling gewesen in seinen Feldern.
Ein weiteres Stillschweigen traf ein, in der Edoardo zu Xenya sah und sie seinem Blick nach und nach auswich.
Der Diener kam und servierte Xenya etwas Wasser und dem Grafen den Blutwein.
„Ich komme mir so ertappt vor“, beendete Xenya schliesslich das Schweigen, die dann einen Schluck Wasser trank und sich etwas durch das Haar strich.
„Ihr müsst wohl vieles denken, Herr Graf. Ein Mann von eurer Art schreibt doch seine Romane auch im Kopf, nicht wahr? Gibt es etwas zu bemängeln?“
„Zu bemängeln? Nein.
Zu bewundern“, antwortete Edoardo und Xenya sah diesen erstaunt an.
„Oh…danke.“
Sie errötete leicht und fuhr sich dann durch das Gesicht.
„Das hätte ich nicht erwartet.“
„An einer Frau von eurer Schönheit und Tugend…ist kein Mangel zu entdecken.“
Daraufhin nahm der Graf sein Glas und hob es leicht prostend in die Luft.
Xenya tat dasselbe mit ihrem Glas, wenn auch etwas verunsichert nun, und gerade wollte sie mit einem neuen Thema ansetzen.
Doch er kam ihr zuvor .
„Wie ist das werte Befinden Ihres Verlobten, Mademoiselle? Ist er heute hier nicht anzutreffen?“
„Nein, er ist anderwaltig gebunden“, sagte Xenya, die froh war jetzt auch von Sirius zu sprechen.
„Doch er…ist nicht weg, also er ist hier, nur nicht…heute“, stammelte sie und der Graf hob leicht seinen Kopf.
Etwas beschämt fuhr sie sich über die Hand.
Vorsicht war besser als Nachsicht.
Warum sie das eben gesagt hatte, wusste sie selbst nicht wirklich, aber irgendetwas lag hier in der Luft, das ihr nicht gefiel.
„Habe ich euch beunruhigt?“, fragte nun Edoardo.
„Wie bitte? Oh…nein, nein. Keineswegs Herr Graf! Darf ich fragen, welches das nächste Stück sein wird, an dem wir uns erfreuen können?“
Der Themenwechsel half Xenya, ihr Gesicht zu behalten und etwas ruhiger zu werden.
Gleichzeitig aber interessierte es sie in der Tat, was Edoardo momentan schrieb.
„Normalerweise…rede ich nicht über meine Arbeit“, sagte Edoardo, der mit kühlem Blick zu ihr sah.
„Aber euch werde ich es sagen. Ein Liebesdrama, deren Ausgang ich noch nicht weiss. Doch sicherlich wird es mein letztes werden.“
„Das letzte Stück?“
Erschrocken sah Xenya zu Edoardo.
Das war keine erfreuliche Nachricht!
Sie liebte seine Werke und wollte stets mehr lesen.
„Nicht das letzte Stück überhaupt“, sagte Edoardo und daraufhin atmete sie hörbar erleichtert auf.
„Da bin ich aber froh.“
„Das letzte Stück über die Geschehnisse des jungen Grafen, meine ich. Eure Bestürztheit schmeichelt mir sehr, doch auch jedes Kunstwerk muss ein Ende nehmen.“
„Das ist wahr“, bejahte Xenya leise, mit einem leichten Seufzer und sie nahm dann ihr Glas wieder in die Hand.
Nun war sie es, die den Grafen etwas musterte und sie hatte sich etwas entspannt.
Die unangenehme Spannung in der Luft war verschwunden, eine gewisse Vertrautheit war bei ihr eingekehrt und sie lächelte.
„Ich muss zugeben, dass ich euch immer anders vorgestellt habe“, sagte sie und eine kurze Pause folgte.
„Wollt Ihr wissen wie?“
„Nein“, war seine Antwort und Xenya war leicht verdutzt, aber sie akzeptierte es.
„Dann interessiert es euch wirklich kaum, wie andere Leute denken.“
„Ich baue nicht auf Leute, weil sie nicht auf mich bauen“, erklärte der Graf daraufhin.
„Die Gesellschaft langweilt mich mit ihrem sich immer etwas veränderndem Idealstreben. Sie sind manipulierbar und Puppen, die nicht selber denken können.“
„Und Sie Herr Graf?“
Auffordernd blickte Xenya und wartete seine Antwort ab.
„Ich bin anders“, antwortete er dann und Xenya schmunzelte.
„Ich bin auch anders“, sagte sie und der Graf nickte darauf.
„Ich weiss“, sagte er und warf ihr einen bedeutenden Blick zu.
Xenya blinzelte leicht, besann sich dann aber wieder und ihre Miene wurde freundlich und angenehm ihrem Gast gegenüber.
Nach einer weiteren Zeit des Schweigens, stand Xenya dann auf und Edoardo tat es ihr gleich.
„Ich denke, dass ich euch schon genug in Anspruch genommen habe. Vielleicht solltet Ihr wieder einmal kommen, wenn mein Verlobter hier ist. Ich denke Ihr Männer habt so vieles besser zu bereden, als mit uns Frauen“, meinte sie und sie streckte Edoardo ihre Hand entgegen.
Edoardo reichte Xenya einen Handkuss und blickte in ihr Angesicht.
„Sich mit einer Person so entspannt zu unterhalten, wie mit Ihnen, ist ein seltenes Gut.“
Er verneigte sich und sie tat es ihm dann gleich.
Sie lächelte dann sanft und sah noch, wie der Graf sich am Eingang des Raumes umdrehte und sie noch ein letztes Mal musterte.
Dann ging er und Xenya liess sich in den Sessel sinken.
Was für ein seltsames Gespräch.
Eine Mischung aus Gefallen und Missmut.
Ob sie sich bei ihm bis ins kleinste blamiert hatte?