England » Lagerhalle [Wang]

Bi betrat die alte Lagerhalle und sah sich etwas angewiedert um.
"Warum macht hier eigentlich nie jemand sauber?"
Der Mann, der direkt hinter ihr lief, wusste nicht recht, ob dies rein rethorisch gemeint war.
Er schluckte und erhob schließlich die Stimme.
"Das würde zu viel Aufsehen erregen."
Innerlich verdrehte die junge Chinesin unbekümmert die Augen.
Für wie dumm hielt der Typ sie eigentlich?
"Ach, wirklich...?", kam es gelangweilt aus ihrem Munde und sie stöckelte durch den großen und verlassenen Raum zu.
"Wo ist Nic?"
"Er wartet bereits."
"Sehr schön. Hier, schick den ab. Und zwar ein bisschen plötzlich. Er muss noch heute ankommen."
Bi reichte dem Mann einen Brief, ließ sich eine Tür öffnen und verschwand.

Nic saß in einem dunklen "Keller" der Lagerräume auf einem Stuhl und wartete auf Bi.
Der ganze Keller war recht passabel mit Unterlagen und Möbel ausgestattet.
Würde die Polizei auf dieses Versteckchen kommen, hätte sie genug Beweismaterial, Bi Wang für die nächsten 70 Jahre zu verknacken.
Nic lehnte sich zurück, verschrenkte etwas die Arme und schaute lust- und antrieblos zur Tür.
Seit Wochen hatte er nicht mehr richtig geschlafen, da er ständig sachen für Bi erledigen musste.
Manchmal tagelang.
Und ebenso war ihr heutiger plötzlicher Anruf ganz wichtig gewesen.
Der Chinese wusste nicht, wie lang er das hier noch durchziehen wollte.

Bi kam einige Momente darauf die kleine Steintreppe heruntergestöckelt.
"Nic", lächelte sie erfreut, ging um das Tischchen herum und begrüßte ihren Schützling mit zwei Küsschen.
"Gut, dass man sich wenigstens auf dich verlassen kann. Wie sieht's aus? Zeit?"
"Für dich immer, das weißt du doch."
Bi lächelte überheblich, nahm Platz und überschlug die Beine.
"Hör zu, diesen Auftrag würde ich auch vollkommen selbst übernehmen. Die kleine Keegan ist so einfältig, dass es jeder Dummkopf mit geschlossenen Augen schaffen würde, sie richtig auszunehmen. Aber mein Bruder...ich hab das Gefühl, er merkt etwas. Und das muss verhindert werden. Ich werde also von nun ab nur noch im Casino zu finden sein. Hörst du? Nur noch da!"
Sie verzog die Lippen, sah an Nic vorbei und senkte misstrauisch die Stimme.
"Es macht mich irre, dass ich nicht einmal mehr meinem Bruder trauen kann. Daher wirst du dir zu Anfang deines Auftrages genügend Handys besorgen...und...naja, du kennst das ja."
Bi zwinkerte kurz und bestimmt.
Nic blickte die ganze Zeit über zu ihr und nickte schmunzelnd.
"Es wird alles so sein, wie du das willst. Verlass dich darauf."
"Tja nun...du kennst mich. Ich möchte nur ungern jedem die ganze Verantwortung aufhalsen. Deswegen wirst du einige Begleiter haben, die stets alles im Auge halten."
"Vertraust du mir nicht?", fragte Nic daraufhin.
Bi lachte.
"Doch, doch. Aber du kennst das ja...Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Nimm's nicht persönlich, Schatz."
Aber da klingelte bereits Nic's Handy; er zog es hervor und runzelte die Stirm.
Die Nummer kannte er nicht.
"Oh! Ich hab ihr deine Nummer gegeben...das ist sicher die Keegan. Geh ran, sei freundlich, zuvorkommend und verkauf ihr die Immobilie an der Westham Road."
Nic nickte, klappte das Handy auf, stand auf, lief durch den Raum und begann das Spiel...
"Ah Miss Keegan, schön, so schnell von Ihnen zu hören."
"Hallo Mister Dawson. Sie sind doch Mister Dawson, nicht wahr?"
"Ja, ganz genau. Und Sie haben sich für unsere Immobilie entschieden, schätze ich?"
"Och...ähm...ich würde sie gerne erst einmal ansehen und mich dann entscheiden."
"Wie Sie wünschen. Wann wäre Ihnen denn eine Besichtung recht?"
"Gleich morgen?"
"Morgen wäre perfekt. Am Nachmittag?"
"Sehr gerne."
"Dann bitte kommen Sie in die Westham Road in England. Sie werden es nicht verfehlen können."
"In Ordnung. Also...dann bis morgen."
"Auf wiedersehen."
Nic klappte das Handy zu, drehte sich zu Bi um, die fast vor Stolz platzte, und nickte ihr zu.
"Also morgen."