RE: Das Narrenhaus - 3

Elizabeth blickte fragend darauf.
Sie lächelte dann etwas scheu und zögernd, sie wusste nicht recht.
Es war alles so plötzlich geschehen, diese Überraschung und jetzt noch ein Geschenk, das wohl oder übel nicht einfach zu erlangen war.
'Wirklich, allmählich beginne ich mich zu fragen', dachte sie im innern leicht skeptisch.
Sie nahm es dann Louis unsicher lächelnd ab.
"Vielen Dank.
Danke euch allen!", sie hob dabei ihren Blick und sah gut gestimmt in die Runde.
Ihre Aufmerksamkeit wanderte dann wieder auf das Büchlein und sie fühlte wie ihre Fingerspitzen sich danach sehnten es zu öffnen.
Leicht nervös aber dann doch sicher öffnete sie es gespannt.

Diese Handschrift kannte Elizabeth, wie auch viele andere ausser sie.
Es war Edoardos Handschrift und schon als sie aufklappte, war ein erster Eintrag zu lesen-

Heute habe ich zurück gedacht von den flügelartigen Wesen, genannt Schmetterlinge. Weißt du, dass sich diese Geschöpfte ein Leben lang darauf vorbereiten nur um schlussendlich ihre Flügel auszubreiten und in schliesslich schönster Farbenpracht ihre Aufgabe zu erfüllen? Als Raupe geboren, all die Gefahren durchmachend und dann, nach einer halben Ewigkeit willen, als bunte Feder gleich, schwebend in den Sommerblütenduft einzusteigen. Man bedenke, diese kleinen Wunder leben nicht selten bloss zwei bis drei Tage. Warum also dieser komplizierte Prozess um schlussendlich doch bloss eine kleine Zeit zu weilen?
Die Vollkommenheit liegt anfangs verborgen, und erst wenn die Zeit reif ist, wird sie erblühen als schönste und reifste von allen. Als ich in der Menschenwelt war, da habe ich mich weithin gefürchtet vor manchen Zeiten die noch kommen sollten. Draussen sass ich oft im weiten Gras, wo mancherlei Insekten waren und so die Grillen zirpten. Vergessen werde ich den Duft der Wiesen und Quellen niemals. Was ein junger Bursch einst gesehen und ihm Eindruck verlieh, wird er nicht vergessen. Ein Leben lang nicht. Gesehen habe ich sie und gezählt. Die Farben, sage ich, unendlich und in ungesehener Vielfalt. Man sagt sich, ein Sandkorn gäbe es kein zweites Mal auf der Erde und so auch kein Getier. Sie leben, sie sterben. Milliarden von Schmetterlingen. Doch jedes von ihnen gibt und gab es nur ein einzig Mal. Jedes von ihnen ist einzigartig und bloss für den einen Zweck da; ihre Eier zu legen und so neues Leben möglich zu machen. Nach drei Tagen also, haben sie diese Aufgabe erfüllt und legen sich hin und verwelken. Ein kleiner Tod, sacht und still. Ein Individuum stirb auf ewig und wird kein zweites Mal wieder kommen. Für diese grosse Welt der Natur bleibt kurz die Zeit stehen, denn es gibt viel zu betrauern. Eine Geschichte ist verloren gegangen, auf ewig. Doch Sobald die Zeit reif ist, wird eine neue Raupe aus dem Ei schlüpfen. Ein neuer Prozess beginnt. Und sie wird sich vorbereiten um später einmal, für diese drei kostbaren Tage, ein Geschenk Gottes zu sein.

28. Dez. 1995

Eine Art Tagebuch also, das wohl irgendwie durch seltsame Weise abhanden gekommen war und dann durch unzählige Hände schliesslich in Louis Besitz gelangte.
"Ich wünsche dir viel Freude damit."

Elizabeth blickte sprachlos auf das Geschriebene, schon nur als sie geendet hatte, wuchs ihr Staunen und sie blickte sprachlos zu Louis auf.
So ein kostbares Geschenk wollten sie ihr schenken?
Nur für sie haben sie sich so viel Mühe gegeben um es überhaupt zu erlangen?
"Ich muss schon sagen, ich habe bei weitem noch nie so ein kostbares und weitaus geschmackvolleres Geschenk bekommen", begann sie immer noch sehr verblüfft.
Ihr Blick wanderte weiter zu den anderen.
"Zugegeben, Ihr kennt meinen Geschmack vorzüglich.
Aber dennoch wie manche nicht auf Pralinen oder Blutwein verzichten möchten, oder gar können-
So möchte ich nicht auf mein Interesse verzichten und das witme ich Grad Edoardo Brown", sie lächelte nun, ein herzhaftes Lächeln.
Sie legte das wertvolle Büchlein auf das Tischchen und begann nun in die Hände zu klatschen.
Sie strahlte dabei, das Klatsche war an die Adligen hier gerichtet.

Sie freuten sich und erwiderten dann ihr Klatschen.
Die Musik begann erneut zu spielen und nun war es Louis, der um diesen Tanz bat.

Elizabeth nahm das Tagebuch und legte es sich an ihren breiten "Gürtel" bzw. Band um ihr Kleid.
Sie nahm dann seine Hand und ihr Blick wurde ein wenig stolzer.
Sie fühlte sich sehr geehrt und bei weitem war es hier viel amüsanter als bei den anderen Adligen.
Nur gut dass Lord Gilòngue nichts wusste, dass hätte mehr als nur konsequenzen.