London » Wochnung von Cliff

Cliff und Jonathan liefen an einigen kleinen Geschäften vorbei, bis
Cliff schließlich stehen blieb und eine Tür aufschloss. Die weiße Farbe war dreckig und blätterte ab.
Das Treppenhaus roch modrig und einen Antrich konnten die Wände und
das Geländer sicher vertragen. Die Stufen knarrten unter ihren Füßen und
im dritten Stock blieb Cliff vor einer roten Tür stehen. Alle Türen waren rot und
bei allen blätterte die Farbe ab. Cliff schloss schnell die Tür auf und ließ
Jonathan eintreten. Beide standen nun in einem kleinen Flur.
Rechts ging es durch eine Tür in ein Wohnzimmer. Wenn man ins Wohnzimmer kam und direkt
links um die Ecke ging, kam man in die Küche, die nur durch eine Theke von dem Wohnzimmer
getrennt war. Würde man dem Flur weiter gerade aus Folgen, würde man ins Bad kommen.
Links war eine Tür, die ins Schlafzimmer führte.
Cliffs Möbel waren zusammengewürfelt und alt. Es gab eine Heizung, die Cliff von Raum zu Raum schieben konnte.
Die Heizkörper, die an den Wänden waren, waren kaputt. Niemand hatte sich bis jetzt darum gekümmert.
Im Wohnzimmer blieb Cliff stehen und nahm den Aschenbecher. Ein Turm aus Asche und Kippen hatte
sich gebildet und er entleerte ihn im Mülleimer. "Ich bin übrigens Cliff"

Jonathan lief den ganzen Weg stillschweigend neben Cliff her und betrachtete die Gegend. Soo schrecklich sah das Ganze hier gar nicht aus.
Da kannte er in seiner Heimat schlimmere Ecken. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. So ähnlich hatte seine erste Wohnung auch ausgesehen.
Nur war sie nicht so sauber gewesen, wie diese hier. Jonathan folgte Cliff in das Wohnzimmer und nahm nebenbei die Heizung mit.
Im Wohnzimmer angekommen steckte er diese in die Steckdose und wenn nicht gerade der Strom ausgefallen war,
würde es in der nächsten halben Stunde sogar etwas warm werden. "Ich bin übrigens Cliff" Fragend drehte sich Jonathan um.
Ach ja, sie hatten sich ja noch gar nicht vorgestellt. ,,Jonathan, Jonathan Crowe. Angenehm.'' meinte er milde lächelnd.

Achso der Nachname. Cliff nickte kurz, doch er nannte ihm nicht
seinen nachnamen. "Trinken. Möchtest du etwas trinken?" Was Gastfreundschaft anging, war
Cliff eine Niete. Er ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. Er bekam Hunger. Mords Hunger.
Verdammte Drogen. Cliff klopfte auf seine Hosentaschen und hörte etwas Geld klimpern.
Sofort holte er es heraus und fand sogar Scheine. "Wie wärs mit Pizza?" fragte er und ging zum
Telefon. Fragend schaute er Jonathan an.

Wiedermal zuckte Jonathan seine Schultern. ,,Mir reicht auch Wasser.'' Wieder schaute er sich in dem Wohnzimmer um.
Es war spartanisch eingerichtet, doch für eine Person reichte es ja. Sein Blick fiel aus dem Fester in den Innenhof,
welcher auch nicht gerade einladend wirkte. Hier würde keine Mutter sein Kind alleine auf dem Spielplatz spielen lassen.
"Wie wärs mit Pizza?" Er drehte sich wieder um und betrachtete Cliff. Was für eine arme Seele von Mensch.
,,Wenn ich dir damit nicht dein Monatsbudget ausschöpfe, dann ja.'' sagte er ehrlich.
Er kannte genug Leute, die sich jeden Penni genau einteilen mussten.

"Das ist mir egal" meinte Cliff, wählte die Nummer und bestellte eine Familienpizza.
Mit einem 'Bitte schnell' legte er auf und lief in die Küche.
Er holte zwei Gläser heraus und schaute sich in um. Er nahm eine Flasche Wasser,
öffnete sie und goss die Gläser voll. Danach reichte er eins Jonathan und und trank seins zitternd in einem Zug leer.
"Das schlimmste an diesem Zeug sind die Fressattacken" murmelte er.

Innerlich nahm sich Jonathan jetzt schon vor, ein paar Scheine 'zufällig' liegen zu lassen oder gleich die Pizza zu bezahlen.
Schließlich würde er nacher von seiner Mutter wieder welches bekommen, ehe er zum Flughafen fliege müsste.
Als kleine Entschuldigung dafür, dass sie sich nie um ihn gekümmert hatte. Auch Jonathan nahm gleich einen Schluck des Wassers.
Cliffs Zittern störte ihm nicht im geringsten. Einige würden das schon mit Beunruhigung zur Kenntnis nehmen,
aber diese hätten auch nie ein Gespräch mit ihm begonnen, geschweige denn einfach in seine Wohnung gefolgt.
Ja, irgendwie konnte er für Cliff ein gewisses Maß an Sympathie aufbringen. Wer hätte das gedacht.
"Das schlimmste an diesem Zeug sind die Fressattacken" ,,Das kann man aushalten. Wenn man aber kein Zeug mehr hat
und sich auch keines beschaffen kann, ist man schon viel ärmer dran.'' Bei diesem Gedanken stellten sich Jonathan die Nackenhaare auf.
Nein, auf diese Erfahrung konnte er in nächser Zeit wirklich verzichten.

Cliff betrachtete Jonathan eine Weile. Ein Junge aus guten Haus also.
Er nickte kurz und schaute aus dem Fenster. Warum er ständig aus dem
Fenster schaute, warum er sich immer umdrehte, wenn er eine Straße entlang ging
und warum er in einer großen Menschenmenge nervös wurde und fast schon paranoid wurde,
konnte er sich nicht erklären. Zumindest wollte er es nicht einsehen.
Cliff schaltete einfach den Fernseher ein. Eine kleine Kiste, deren Bild immer Mal
wieder verschwand und dann wieder auftauchte. Dann stellte er sich zur Heizung und
setzte sich darauf. Seine Hände umfassten den warmen Körper und er schaute Jonathan an.
"Ich bin nicht Drogen abhängig, nur damit du es weißt" Cliff hatte den Drang es ihm zu sagen.

Mit einem leichten Fragenden Ausdruck in seinem Gesicht musterte Jonathan Cliff.
Deren Unruhe schlussfolgerte er aus der Drogenabhängigkeit. Aber Cliff schien seinen Gedanken erraten zu haben und widerlegte dies.
Da Jonathan nun jetzt doch etwas warm seinem mantel wurde, zog er ihn aus und legte ihn über die Stuhllehne.
,,Ah ja. Was lässt dich sonst so unruhig sein?" fragte Jonathan gerade aus. Vielleicht hatte er noch niemanden zu Besuch?
Oder Cliff konnte die letzte Miete nicht bezahlen und muss nun jeden Moment damit rechnen rausgeschmissen zu werden?
Letzteres schien gar nicht mal so abwegig..

Cliff schaute Jonathan immernoch an und wog seine Worte gut ab.
Er wusste nicht, wie oder ob er es ihm sagen sollte. Sie kannten sich nicht.
Theoretisch nicht. Als Cliff gerade etwas sagen wollte, klingelte es an der
Tür und schnell stand er auf. Er öffnete die Tür, drückte dem Boten das Geld in die Hand
und schmiss die Tür wieder zu.
Den großen Karton stellte er auf dem kleinen Wohnzimmerstisch ab.
"Ich... ich habe mit meiner Vergangenheit zu kämpfen" sagte er dann.
"Gefängnis. Kein schönes Erlebnis" den Namen nannte er nicht. Stattdessen nahm er ein
Stück von der Pizza und aß es schnell, obwohl er sich verbrannte.

Abwartend schaute er ihn an. Würde Cliff im die Wahrheit sagen oder sich in Ausreden flüchten?
Eigentlich brauchte Cliff ihm überhaupt nichts zu erzählen. John war einfach nur neugierig.
Dann klingelte es. Ehe Nate überhaupt die Gelegenheit ergreifen konnte, die Pizza zu bezahlen,
war Cliff auch schon wieder mit der Pizza in der Hand zurück. Seufzend strich er sich über den Nacken
und nahm sich ein Stück Pizza. Nickend nahm Jonathan Cliff Aussage zur Kenntnis. Gefängnis also.
Warum er dort war, fragte er nicht. Der Gute hatte damit wirklich noch schwer zu kämpfen,
also würde es ihm keine Freude bereiten darüber näher einzugehen. ,,Wie lange biste schon raus?'' fragte er interessiert.
'Lieber das Gespräch auf was Gutes lenken' dachte er sich und biss in sein Stück.

"Ein Jahr" antwortete Cliff. Er nahm sich direkt ein zweites Stück und es schien,
als könnte er garnicht genug bekommen. "Nimmst du öfter Drogen?"
fragte Cliff und legte das Stück Pizza weg. Er kramte siene Zigaretten Packung hervor
und zündete sich eine an. Er hustete kurz und aß dann weiter.

"Nimmst du öfter Drogen?" Hm? Kurz schien Jonathan irritiert, fing sich dann aber wieder.
,,Was denkst du?'' fragte er herausfordernd. ,,Ohne würde ich gar nicht mehr zurecht kommen.
Ob zuhause oder in der Uni. Ohne das Zeug würde ich wahrscheinlich auch so unruhig sein wie du.'' schätze er ein.
Er hatte es noch nie so richtig ausprobiert davon runter zu kommen, wollte dies aber auch gar nicht.
Die Zeit, in der er ohne zurecht kommen musste, reichten schon. Freiwillig würde er sich auch nie in eine Klinik einweisen lassen.

Cliff nickte kurz und zog an seiner Zigarette. Dann aß er weiter.
Man konnte ihm nicht ansehen, was er dachte. Auch seine Stimme schien
keine Emotionen oder Gefühle durchzulassen.
"Die Tür steht dir jederzeit offen. Ich meine, solltest du dir irgendwann nochmal
überlegen nach England zu kommen"

[nach gefühlten Stunden des Ladens ._.]

Eine Weile herrschte Stille. Keine unangenehme, erdrückende Stille. Jeder hing nur seinen Gedanken nach.
Oder aß eben. Cliff konnte man sowieso nicht so richtig einschätzen. Er war eben einer der schweigsameren Sorte.
Ein Lächeln breitete sich auf Jonathans Miene aus. So unsympatisch musste Cliff ihn ja auch nicht unbedingt finden.
,,Danke. Darauf werde ich zurück kommen.'' meinte er ehrlich. Vielleicht würden dann die nächsten Familienfeiern doch nicht so öde werden.
Routinemäßig lies er seinen Blick auf seine Uhr gleiten und erstarrte. Eigentlich hätte er jetzt schon wieder bei seinen Verwandten sein sollen.
Ach was solls, sich zu beeilen lohnte es sich sowieso nicht. ,,Du, ich will nicht unhöflich sein, aber ich muss los.'' meinte er, als er sein Stück Pizza aufgegessen hatte.
Gelassen stand er auf und zog sich seine Jacke wieder über. ,,War schön dich kennen zu lernen.'' sagte er und klopfte ihm auf die Schultern.
Dann verschwand er aus der Wohnung. Auf dem Küchentisch hinterlies er ein paar Scheine mit einem kleinen Zettel.
''Für eine Familienpizza mehr im Monat'' war flüchtig herauf gekritzelt worden.

Cliff hatte sein Lächeln nicht erwidert, doch er hatte genickt.
Er hatte Jonathan zur Tür gebracht und starrte nun auf das Geld und den Zettel.
Seufzend nahm er die Schine und steckte sie in ein Glas, welches er in seinem Küchenschrank
gestellt hatte. Es war halbvoll-in Cliffs Augen halbleer- mit Geld gefüllt. Er warf die Scheine hinein
und schloss wieder den Schrank. Er zerriss den Zettel und warf ihn in den Mülleimer.
Routinemäßig schaute er aus dem Fenster, doch Jonathan war schon verschwunden.
Stumm jetzte er sich auf die Couch, nahm sein Stück Pizza und aß es weiter.