Lüfte » Königreich Lótius

Cyrill stand an einer Klippe.
Man konnte hinunter auf die Wolken sehn, eine schöne Aussicht und vertraute Bilder stiegen in Cyrill hoch.
Hier hatte er in der letzten Zeit vieles erfahren können.
Dinge, die ihm wichtig waren.
In seiner Hand hatte Cyrill einen Ring umschlossen, einen Ring, den er einst von Melina erhalten hatte.
Lange war es her, und lange hatte er ihn vergessen.
Er war eine Art Pause für Cyrill, hier zu sein und nachzudenken.
Einfach abzuschalten und niemanden zu fragen.
Cyrill blickte hinab in die Tiefe, alles war zeitenlos, vergessen wie lange er hier schon stand.
Nur der Augenblick zählte.
Bilder gingen an Cyrill vorbei, und er fragte sich, was schief gegangen war.
Mit ihm. Mit allen.
Ernste Züge zeichneten sein Gesicht, endlose Müdigkeit überfiel ihn, das alles hatte er nicht gewollt.
Ein kleiner Junge mit Locken schnitzte sich einen Wolf und rannte den Gezeiten entgegen.
Ein junger Mann, der mit seiner Familie flüchtete und die Feinde weglockte.
Cyrill fasste sich am Arm.
Ein Leben mit vielen Wunden geprägt.
Eine weite Reise ins Unbekannte, eine junge Frau die ihm ihr Herz schenkte und ein kleiner Sohn.
Yadon...
Weitere Bilder zeigten sich, wie ein dünner Schleier durch die Gedanken fliessend.
Da waren seine Freunde Toni, Marcellus...Stanley und schliesslich auch Shyla.
Einen kurzen Moment lang, fühlte Cyrill wie seine Tochter ihm ihre Hand gab und zu ihm aufsah. Wie gerne hätte er mit Myla die Sterne gezählt.
Mary fiel ihm ein.
Ich habe kein Leben, dieser Satz ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er wusste nicht warum, Mary ihm es gesagt hatte, vielleicht hoffte sie, er würde verstehn.
Cyrill blickte gebannt ins Leere.
Was war mit ihm, hatte er denn ein Leben? Cyrill überlegte. Vielleicht nicht ein vollkommenes, doch er hatte etwas, wofür es sich lohnte zu Leben, und das war es, was sein Leben ausmachte - seine Freunde, seine Erlebnisse und Leidenschaften.
Cordelia hatte ihm einst gesagt, er ist das Beste, was ihr je passieren konnte.
Aber nun war sie tot. Seinetwegen. Und seinetwegen hatte Luca keine Mutter mehr.
Und Akasha hatte er seit der letzten Nacht nicht mehr besucht.
Hinter Cyrill erschien plötzlich ein engelhaftes Wesen.
Es war Lótius und er legte seinem Freund die Hand auf die Schulter.
"Miu cosawu-de?", fragte er mit sanfter Stimme, doch Cyrill schwieg.
Er hielt den Ring immer noch fest umklammert und er atmete schwer.
Dann klappte er seine Hand leicht auf, und der Ring kam zu vorschein.
Er blickte darauf hinab.
"U est nela rafo, mhéu-de uû picco."
Lótius nahm nun Cyrills Hand.
"Du bist hier, weil du du bist, Silus. Deshalb lebe, und zweifle nicht an dir selbst."

[Miu cosawu-de? = was bedrückt dich?
U est nela rafo, mhéu-de uû picco = ich bin es nicht wert, diesen Ring zu tragen]

Die vier Generäle und Cyrill betraten das Königreich Lótius'.
Einige Minister eilten durch die grossen Hallen und immer wieder waren junge Elbenfrauen zu sehen, die lächelnd zu den Fremden sahen.
Musik war zu hören, alles war hell und fröhlich.
"Hier findet jeden Tag ein Fest statt", sagte Cyrill, während er mit diesen durch das Schloss ging.
"Alle sind friedlich miteinander. Ihr bekommt Wein, Frauen, Aufmerksamkeit, Waffen, und alles was das Herz begehrt."

Siramir sah den schönen Elbendamen hinterher, lief aber weiter.
Das alles klang sehr vielversprechend.
"Ein mächtiges Reich", bemerkte er dann.

Edo hatte wie immer eine ernste Miene aufgesetzt während er ging, er blickte ein Elbenmädchen nur flüchtig an.
Der General neben ihm musste schmunzeln, als das Mädchen ihn anlächelte.
Er sah ihr schwach grinsend nach.
"Alles so vollkommen, Cyrill.
Wem gehört dieses Reich?
Ist es hier, wo Mary und du einst gewesen wart?", fragte Edo und konnte fast immer noch nicht glauben, dass hier waren.

Cyrill schüttelte den Kopf.
"Mary war nicht hier", sagte er und sie bogen um die Ecke.
Ein neuer, endloser Korridor.
"Hier ist Lótius' Reich. Herr der Gezeiten."

"Herr der Gezeiten", wiederholte Siramir in erfürchtigem Ton.

"Sag mir Cyrill, ist er der König dieser ganzen Feenwelt?", fragte Edo und ging weiter.
Es beeindruckte ihn und soetwas wie das hier, hatte er zuvor noch nie gesehen.
Auch der General hinter Edo war beeindruckt und hörte erfürchtig zu.

"Ja, das ist er", sagte Cyrill und er lächelte leicht.
"König der Lüfte, hier hat er sein Gebiet. Und er bestimmt, wie schnell die Zeit durchgeht. Eure Reise hier, hat euch manch Jahre gekostet. In der Vampirwelt sind es bloss einige Tage."

Siramir fasste sich am Kopf.
"Und ich hatte geglaubt, der König sei steinalt, wenn ich zurück komme."

Cyrill grinste.
"Nein", sagte er schmunzelnd.
"Zum Glück nicht. Also macht euch keine Sorgen. Es werden bloss einige Tage vergangen sein, wenn ihr wieder zurück ankommt. Niemand wird euch glauben."

Edo blickte zu Siramir.
"Jah, das dachte ich auch", sagte Edo und sah dann nach vorne.
"Das würde Tarabas wohl nicht gefallen, wenn er erfährt, dass er nicht der einzige König in Otopia wäre..."
Der General hinter Edo setzte ein ernstes Gesicht ein.

Ebenso ernst war Marcellus und Siramir wurde es auch.
"Dann sagt ihm nichts", meinte Cyrill.
Siramir trat vor Cyrill und sie hielten an.
"Das wäre Hochverrat!", sagte er mit ernster Stimme zu Cyrill.
Dieser sah zu Siramir hoch.
"Tarabas ist König der Vampire. Er soll sich gefälligst damit zufrieden geben, mit dem, was er hat!"
Siramir traute seinen Augen nicht.
"Du dreckiger-!"
Er hob seine Hand und wollte Cyrill schlagen, doch Marcellus trat schnell zwischen die beiden und hielt Siramir auf.
Marcellus war zufrieden mit der Situation.
"Lass nur, Siramir", sagte dann Marcellus und er blickte zu Cyrill.
Dieser verengte die Augen.
"Pass auf was du sagst, Zigeuner."

Es war eine heikle Situation.
Aber Edo fiel etwas ein, was sie berücksichtigen mussten.
"Wenn wir dieses Land nun eroborn würden mit unserer samten Vampirarmee, welche Seite würde schlussenldich den Sieg eringen?", fragte er Cyrill.

"Unsere Seite", sagte Marcellus entschlossen.
"Und falls es eng wird, werde ich die Todesvampire aufsuchen."

Cyrill trat von Edo zurück und er sah zu diesem.
"Sowas fragst du mich..."
Seine Augen glitzerten.
"Ihr seid also hierher gekommen, um das zu zerstören!"
Er blickte sich um.
"Daraus ewige Finsternis und Kälte zu machen!"

Marcellus griff nun Cyrill am Arm.
"Du bist deinem König zu Treue verpflichtet", sagte er ernst.
"Entweder du bist für ihn, oder du bist...sein Feind. Und sehr dumm obendrein."

Siramir fasste sich am Kinn.
Das alles war gar nicht gut.
Doch Marcellus hatte recht und Edos Frage war wichtig!