RE: Waldrand - 8

[ Gott, jetzt mach ich auch Selbstgespräche; freut mich, dass es dir gefällt =)]

30.9.1992
Liebes Tagebuch,
Charles und ich haben miteinander geredet und wir sind zu dem Schluss gekommen,
dass das ganze so nicht weiter geht. Das heißt, dass wir erstmal getrennte Wege gehen.
Ich weiß nicht, wann ich ihn wieder sehen werde und ich weiß auch nicht,
ob ich ihn überhaupt wieder sehen möchte. So ist das Leider bei den reichen Reinblütern.
Die Väter gehen über alles und was sie sagen wird gemacht, wenn nicht, gibt’s Ärger.
Ich hasse so etwas. Ich dachte Charles wäre anders, aber da habe ich mich gettäuscht. :’(
Aber eines musste Charles mir versprechen und es hat mich gewundert, dass er darauf eingegangen ist.
Ich habe ihn darum gebeten, seine Kinder nicht so zu erziehen, wie er erzogen wurde.
Schließlich hat er es bei Thomas und Saskia auch nie getan.
Ob er sich daran halten wird, weiß ich nicht.

16.10.1992
Liebes Tagebuch,
Charles hat sich nicht gemeldet. Ich weiß nicht wie es ihm geht und ob er überhaupt noch in Deutschland ist oder schon längst wieder in Frankreich oder Amerika…
Er fehlt mir so und Tommy und Saskia sind auch ganz traurig weil ihr Daddy nicht mehr hier ist…

1.11.1992
Liebes Tagebuch,
gestern war ich mit den Kindern im Kindergarten von Tommy. Halloween Party.
Tommy ist als Cowboy gegangen und Saskia habe ich ein Kleidchen und ein Krönchen gekauft.
Es tat gut die Kinder lachen und spielen zu sehen.
Zwar fragen sie immer noch, wo ihr Daddy ist, aber langsam finden sie sich mit meinen Ausreden ab.
Es tut weh Tommy und Saskia anzulügen, aber was soll ich machen?
Sie sind noch zu klein um es zu verstehen. Wenn sie älter sind, werde ich es ihnen erzählen…

25.11.1992
Liebes Tagebuch,
ich verabschiede mich bis auf unbestimmte Zeit.
Ich muss ins Krankenhaus.

1.1.1993
Liebes Tagebuch,
ich bin wieder zu Hause und nun sind wir… ja zu wie viele sind wir denn?
Wenn ich Charles dazurechne, dann sind wir zu fünft… ohne ihn zu viert…
Ach egal.
Sarah ist ein wunderhübsches Mädchen und Tommy und Saskia haben sich sofort in sie verliebt! Charles hat sich nicht gemeldet. Hoffentlich wird er vorbeikommen und nach Sarah schauen. Sie ist schließlich seine Tochter.

Das ganze war wirklich traurig.
Traurige Erinnerungen.
Diese Zeit war längst vorbei.
Und doch hatte es sie gegeben.
Manchmal musste man durch tiefe Schatten gehn.
Jack las weiter.

5.1.1993
Liebes Tagebuch,
heute stand Charles überraschend in der Tür.
Ich sah förmlich, wie er sich zwang seine kalte Maske abzusetzen, doch auch wenn er lächelte, sah ich in seinen Augen die Traurigkeit und Kälte.
Als er Sarah dann jedoch weinen hörte, hatte er aufgeschaut und war direkt hinauf gerannt.
Ich habe gehört wir er ihren Namen gesagt hatte und wie er dann im Kinderzimmer verschwand. Nachdem ich ihm ein paar Minuten später gefolgt war, stand er vor ihrem Bettchen und hielt sie in seinem Arm. Sarah hatte ihn mit ihren großen Augen angeschaut und Saskia und Tommy umarmten jeh ein Bein von ihm.
Er hat gesagt, dass sie mir so ähnlich sehen würde. Ich habe nichts darauf erwidert, sondern bin wieder runter gegangen.
Ich habe später gemerkt, dass er das Gedächtnis der Kinder gelöscht hatte.
Er hatte sich aus ihrem Gedächtnis gelöscht und ich wusste, dass er das auch mit mir machen wollte. Hat er aber nicht. Gott sei dank nicht, sonst könnte ich mich an den wundervollsten Mann der Welt nicht mehr erinnern.
An dem Mann, der so eine Angst vor seinem Vater hatte…

Dieses Mal hatte Diana nur eine Seite freigelassen.

1.1.1995
Liebes Tagebuch,
ich habe dich nicht vergessen. Im Gegenteil. Ich konnte nur nichts hier rein schreiben. Immer hast du mich an Charles erinnert. Ich wollte immer etwas hineinschreiben.. über Thomas, Saskia und Sarah… über unsere gemeinsame Zeit… aber ich konnte nicht.
Jetzt ist ein anderer Mann in mein Leben getreten. Eigentlich schon länger. Wir kennen uns seit einem Jahr.
Er heißt Nico und er arbeitet in einer Bank. Der perfekte Schwiegersohn für meine Mama und ein Guter Vater für die Kinder.
Ich habe Charles nie wieder gesehen.

3.1.1995
Liebes Tagebuch,
ich habe dir etwas verschwiegen. Natürlich ich hätte es auch direkt am 1 Januar schreiben können… aber ich tu es jetzt. Es ist bereits dunkel und die Krankenschwester steht schon wütend in der Tür, aber ich kann sie noch besänftigen.
Ja genau. Die Krankenschwester. Ich liege wieder im Krankenhaus. Nicht weil ich mir etwas gebrochen habe, oder weil ich sonst verletzt oder krank bin.
Neben mir liegt mein kleiner Derek. Richtig. Ich bin wieder Mutter geworden. Ich fühle mich wie eine Maschine, die so Programmiert wurde, dass sie im Durchschnitt jedes Jahr ein Kind zur Welt bringt. Aber ich bereue es nicht. Derek ist so süß aber ich bin froh, dass er mehr nach meine Familie kommt. Aber psst

5.1.1995
Liebes Tagebuch,
Nico hat mir heute einen Heiratsantrag gemacht und ich habe ‚Ja’ gesagt.
Eigentlich mache ich das nur für die Kinder.
Diana Smith.
Oh Gott das hört sich schlimm an und sieht schlimm aus.
Thomas Smith
Saskia Smith
Sarah Smith
Derek Smith
…
Diana McFadden
Thomas McFadden
Saskia McFadden
Sarah McFadden
Derek McFadden
…
Also… irgendwie… es hat was… nein beides sieht beschissen aus

7.1.1995
Liebes Tagebuch,
noch nicht ganz aus dem Krankenhaus raus und schon rein in die Hochzeitsplanung!
*würg*
Nehmen wir die Servierten zu den Tellern und zu den Tischdecken, oder lieber die Tischdecke, die harmoniert so mit den Kerzen… oder sollten wir lieber blablabla…
Also ich brauche nur ein weißes Kleid, einen Mann im Anzug,
meine Kinder in Kleidchen und Anzügen und wenn jemand Hunger hat, soll er sich eine Pizza bestellen…
Achja und ich will eine Kutsche
Aber auf mich hört ja keiner…

Als Jack von Nico las, nickte er zufrieden.
Gut so!
Seither waren ja auch paar Jahre vergangen, man musste einfach vorwärts leben.
Und wer dieser Nico wohl war?
Saskia hatte nie von ihm erzählt...
Vielleicht sah sie in ihm einfach nur den bösen Schwiegervater?
Jack las dann weiter, gespannt wies weiterging.

10.1.1995
Liebes Tagebuch,
endlich steht der Termin!
Wir heiraten im März… toll… ich freu mich wirklich…
Wenn Nico jetzt auch noch Charles heißen würde und genauso wie er sein und aussehen würde und
keine Familie in Frankreich oder was weiß ich hätte würde es die perfekte Hochzeit werden…
Aber andererseits hätte ich dann nicht meinen kleinen Derek… Ach das Leben ist doch ungerecht!

15.1.1995
Liebes Tagebuch,
Oh Gott wie ich alte Menschen hasse… Sorry Oma du bist nicht gemeint.
Lauf mal mit 33 und vier kleinen Kindern durch den Park…
Die Blicke sind nicht toll und alles andere als nett!
Die Höhe war ja, als eine Frau auf mich zukam und gesagt hat: Sind das alles ihre?! O.O
Himmel danke für mein schlechtes Deutsch und Danke dass ich keine Beleidigungen auf
Deutsch kenne! Zumindest sind mir die in diesem Moment nicht eingefallen,
denn meine kleinen Goldschätze mussten unbedingt alle auf einmal MAMA schreien…
Derek hat mich aus seinem Kinderwagen nur angelacht.
Die ältere Dame hat sich dann umgedreht und ist gegangen. Hat wohl gemerkt, dass das doch meine sind.
So klug wie ich bin habe ich ihr dann noch hinterher gerufen,
dass sie sich nicht sorgen muss und dass sie alle von ein und demselben Mann sind.
Naja… sie hat darauf nichts gesagt, sondern hat ihren Schritt nur verschnellert.
Blöde Kuh!

18.1.1995
Liebes Tagebuch,
mir ist in letzter zeit so langweilig…
Naja aber irgendwie auch nicht, denn ich hab immer etwas zu tun.
Arbeit, Kinder, Mann, Haushalt… Aber trotzdem langweilt es mich…
Außerdem komme ich mir beobachtet vor ich werde Paranoid
25.1.1995
Liebes Tagebuch,
Hm… ich muss mit bedauern feststellen, dass ich es doch nicht schaffe regelmäßig zu schreiben,
auch wenn du in meinem Schreibtisch liegst, wo ich fast jeden Tag sitze.
Tut mir Leid.
Ich freue mich überhaupt nicht auf die Hochzeit mit Nico… ja er ist nett aber… richtig er ist nicht Charles

Nach diesem Eintrag folgten noch die letzten beiden.

[Oh Gott wie ich alte Menschen hasse… Sorry Oma du bist nicht gemeint. ]

Jack merkte, dass das Tagebuch immer dünner wurde gegen Ende und das er gleich durch sein würde.
Kein Wunder, denn Diana schien jetzt normal zu leben.
Natürlich, sie vermisste Charles - was nicht zu überlesen war.
Aber sie hatte Fuss gefassen und Jack war ehrlich gesagt sehr froh, dass es kein böses Ende mit ihr genommen hatte.
Und so las er die letzten beiden Beiträge.

6.2.1995
Liebes Tagebuch,
Langsam gehen hier die Seiten aus. Vielleicht schaffe ich gerade noch die Hochzeit… Obwohl, so viel wie ich vergesse schreibe ich da noch in 10 Jahren dran
So viele Seiten über Charles und so wenige ohne ihn…

15.3.1995
Liebes Tagebuch,
heute ist es soweit. Die Hochzeit zwischen Nico und mir.
Es ist jetzt 6 Uhr morgens. Nico und ich haben das gesamte letzte Wochenende bis heute getrennt verbracht und meine ‚Freundinnen’ –Ja ich habe hier Freunde gefunden *würg*-
haben sich gewundert, warum ich so Happy war.
Vielleicht liegt es daran, dass es endlich mal ein Nico freies Wochenende war… hm ich weiß nicht.
Ich habe ein schlechtes Gewissen dir gegenüber. Ja richtig dir. Als wenn du Gefühle hättest.
Wie gut man Worte hinschreiben kann und wie sehr man sie verändern kann. Man kann mit Worten so einfach die Wahrheit verändern… weil niemand sieht, wie du aussiehst wärend du schreibst. Du kannst schreiben, dass es ein super toller Tag war, dabei kannst du im Krankenhaus liegen mit zwei gebrochenen Armen und einer Gehirnerschütterung.
Aber ich habe das Gefühl, dass ich es dir sagen muss. Ich fühle mich schuldig.
Bekloppt eigentlich, schließlich bist du nur ein Buch…
Nach den ersten Wochen in denen Nico und ich uns kennen gelernt haben und auch schon miteinander geschlafen haben, stand Charles eines Nachts plötzlich vor meiner Tür.
Das war Ende März 1994. Er hat sich unter Tränen bei mir entschuldigt, er sagte, dass er mich sehen musste.
Ich habe ihn hereingebeten. Ich sehe es heute noch ganz klar vor Augen.
Wie er mich umarmt hat, mich geküsst hat… mit mir geschlafen hat.
Er blieb bei mir die ganze Nacht. Er ging nicht zu den Kindern, redete nicht über sich. Er war einfach nur da und schaute mich an.
„Es fällt mir schwer ihn zu lieben“ hat er geflüstert. Das weiß ich noch. Es hat mir das Blut in den Adern gefrieren lassen. Ich habe ihn gefragt warum.
Er hat darauf einen Moment gezögert, es dann jedoch erzählt. Er hat erzählt, dass Sky Tommy so ähnlich sieht. Er erinnerte ihn jeden Tag an das was er nicht hatte.
„Du musst es tun. Er ist dein Sohn“ habe ich darauf geantwortet und mich aufgesetzt. Es ist, als wäre es erst gestern gewesen. Ich habe ihm erklärt, dass der kleine Sky nichts dafür kann, dass sein Vater noch drei andere Kinder hat. Darauf hin hat er nur genickt, gesagt, dass er es weiß, dass es ihm Leid tut.
Wie Charles sich nun entschieden hat, weiß ich nicht. Schließlich hat Violett auch noch mitzureden. Ich denke nicht, dass sie es zulassen würde, dass Charles seinen Sohn schlecht behandelt. So eine schlechte Mutter gibt es nicht auf der Welt.
Charles blieb bis Ostern. Wenn Nico tagsüber im Haus war, hielt er sich oben versteckt. Nachts liebten wir uns.
Ich habe es Nico nie gesagt und ich habe nicht vor meine Meinung zu ändern. Ich werde ihm nicht sagen, dass Derek nicht sein Sohn ist.
Aber ich werde auch Charles nichts davon sagen. Er hat sich entschieden und ich mich auch.
Wenn ich mir meine letzten Abschnitte durchlese, tut es mir weh etwas Falsches geschrieben zu haben. „Wenn ich Nico nicht kennen gelernt hätte, hätte ich Derek nicht“ das stimmt nicht. Ich hätte ihn trotzdem.
Dennoch ist das Leben ungerecht.

Zwar waren noch drei Seiten über, doch Diana hatte sie nicht mehr gefüllt.

Jack war erstaunt.
Wirklich, was so ein einziger Eintrag alles ändern konnte.
Also war Derek doch Charles Sohn.
Und ob sich Diana und er noch in Zukunft getroffen haben?
All das konnte Jack nur raten, weil das Tagebuch hier zuende war.
Und nun?
Sollte er es zurück geben?
An die Kinder?
Wie würden sie darüber denken, dass alles zu lesen?
Es würde sicherlich ihr Leben auf den Kopf stellen...
Hatte er das Recht, dass zu tun.
Jack war ratlos.
Was sollte er tun?
Und so entschied er sich das dem Schicksal zu überlassen.
Anstatt es direkt vor die Waldhütte zu bringen, warf der Squib das Tagebuch in hohem Bogen durch den Wald.
Er hatte es nicht mehr.
Und wo es gelandet war? Weiss Gott.
Entweder sie würden es finden - jemand anderes - oder es würde mit der Zeit unter der Erde verschwinden.
Was auch geschehen würde, es lag nicht mehr in seiner Hand und Jack war froh darüber.
Ja, durch dieses Tagebuch hatte er einmal in ein anderes Leben gesehn.
Und in Zukunft würde er Saskia in einem anderen - besseren Licht sehn.
Seufzend ging Jack dann davon.
Diana, ging es ihm durch den Kopf.
Dann verschwand er.