RE: Gassen - 5

"Hast du keine Augen im Kopf, oder was?"
Silke trat vor Kieran und drohend blickte sie ihm ins Angesicht.
Doch dann stutzte sie.
"Engländer! Du bist der Engländerjunge von neulich, in Kalifornien!"
Kieran runzelte die Stirn.
Ihm fiel die Begegnung mit Silke wieder ein, als er bei Miranda kurz frische Luft geschnappt hatte.
Ohnein, nicht die schon wieder...
"Sag mal, ist dir die Welt nicht gross genug? Musst du mich bis hierher verfolgen, oder was?"
"Nein, mein Bro und ich sind hierher gezogen. So, jetzt haben wir alles nur noch Engländer um uns herum."
"Sehr witzig", meinte Kieran trocken und er lief an ihr vorbei.
Silke drehte sich um und verdutzt eilte sie ihm hinterher.
"Hey, warte doch! Gib mir ne Chance, ich kann auch nett sein! Das drüben bei mir...ich hab nunmal nach Kohle gesucht."
"Verschwinde, du nervst."
"Glaubst du denn-"
"Ich hab gesagt, verschwinde!"
Kieran hatte sich umgedreht und seinen Zauberstab gegen ihren Hals gedrückt.
Erschrocken schielte Silke auf den Zauberstab und sie rührte sich nicht.
Sie schluckte leicht, Kieran hingegen klappte leicht den Mund auf.
Schnell nahm er den Zauberstab weg und erschrocken über sich selber, versank er kurz in Gedanken.
Silke hingegen richtete ihr T-Shirt.
Da Kieran nichts sagte, war sie es, die wieder auf ihn einredete.
"Du bist Zauberer? Cool! Ich auch, glaub mir."
Sie nahm ihren Zauberstab hervor und spielte damit vor seiner Nase herum.
Kieran runzelte die Stirn.
"Nur würde ich das niemals so leichtsinnig preisgeben, wie du das eben getan hast. Aber seis drum..."
Kieran schüttelte leicht den Kopf.
Er drehte sich um und lief weiter, wobei sie ihm hinterher ging.
Als es ihm zu lästig wurde, apparierte er einfach und weg war Kieran.

"Dad! Nein! Bitte, du musst am Leben bleiben! DAD!"
Tristan riss die Augen auf und setzte sich blitzschnell auf. Sein Körper war nass und seine Klamotten ebenso.
"Es war nur ein Albtraum..."
Tristan sah sich um. Neben ihm lag Skye, diese schlief immer noch. Aaron und Elliot waren nicht hier und Jayden saß auf einer Mülltonne.
"Er schläft selten..."

Jayden drehte sich zu Tristan um und musterte ihn.
"Hattest du schon wieder einen Albtraum? Es war der 7. Albtraum in dieser Woche." meinte er.
Jayden hatte jeden Tag Albträume, aber er versuchte diese immer zu verdrängen.

Tristan nickte.
"Ja." antwortete er.
Er sah den Tod seines Vaters. Immer und immer wieder konnte er sehen, wie Marko von schwarzen Stäben durchbohrt wurde und schließlich starb.
Der kleine Randel hustete auf. Er fühlte sich immer schwächer.
Es war diese Krankheit..
Der Fluch der Randels.

"Albträume vergehen irgendwann."
Er erhob sich.
"Wir müssen los. Die Zeit wird knapp." meinte er und ging die Gasse entlang.

Tristan nickte und zog an den Haaren von Skye.
"Skye, wach auf! Wir müssen los!" rief er einige Male.
"Sie schläft tief und fest...Ist ja schlimmer, als bei einem Yeti aus der Schweiz!"

Sie verpasste Tristan eine Ohrfeige.
"Du Bengel! Meine Haare sind göttlich!"
Sie sprang auf und ging wütend die Gasse entlang.
"Tz, so ein Lausbube!"

"Woah!"
Er fiel zurück. Die Ohrfeige brannte!
"Zicke...."
Schließlich folgte er ihnen.

Benny lachte auch noch, als er die Zeile ein zweites Mal las. Dieses Typen waren wirklich genial.
"Benny!"
Es war die harte Stimme seines Vaters, die den Jungen aufkeuchen ließ und schnell aufstehen, wobei er die "PEPPER" in seinen kaputten Rucksack stopfte.
"Dad?"
"Ich hab was ..."
Der Mann kam nun in Sichtweite und schmiss einige Dosen auf den Boden. Benny sah angewidert dorthin. Bohnen und Mais ... mal wieder.
"Hast du die geklaut, Dad?"
Sein Vater sah den Jungen so an, dass der sich die Worte sofort verkniff. "Iss."
Und so vergingen einige Minuten in Stille, während die beiden aßen. Benny hatte das Gefühl, von dem Zeug kotzen zu müssen, aber der Hunger war wie immer stärker.
Irgendwann gab sein Vater von sich: "Es wird wieder kälter. Wir brauchen ein paar mehr Decken."
Benny seufzte. Die Weihnachtszeit stand bevor. Die schlimmste Zeit des Jahres ... aus vielerlei Gründen.
"Meinst du nicht ... meinst du nicht, dass du dir einen Job suchen könntest, Dad?", murmelte er kleinlaut und bereute es sofort, als die Ohrfeige ihn so hart traf, dass er sich nicht auf den Beinen halten konnte und in den Dreck der Gasse fiel.
"Für diese miesen, dreckigen Bonzen hier werde ich nicht arbeiten! Meinen alle, sie wären was Besseres!" Der Mann war regelrecht am Rande eines Wutausbruchs. "Und du, du unnützer Bengel? Sitzt hier, futterst meine Bohnen weg und schläfst unter meinen Decken! Was tust du denn mal, außer deinen bescheuerten Geschichten zu schreiben?"
Benny sah weg, ihm traten die Tränen in die Augen.
Sein Vater stand auf und riss den Rucksack des Jungen hoch.
"Ich wette, ich finde da drin wieder deine Erzählungen ... deine Gedichte ... ein Junge, der Gedichte schreibt! Wo gibts das denn? Habe ich als Vater wirklich so versagt?!", schrie er und warf alles aus dem Rucksack auf den verdreckten Boden.
Er sah die Zeitung und Benny hielt den Atem an. Er wusste, was kommen würde.
Sein Vater betrachtete sie kurze Zeit und sah Benny dann an. Wortlos zerriss er die Blätter und schlug dem Jungen ein weiteres Mal ins Gesicht.
"Verpiss dich hier, und lass dich vor morgen nicht wieder blicken!", schrie er und trat Benny hinterher, als der beschleunigte und davonrannte. "Und dass ich diese Zeitung nie wieder bei dir sehe!"
Der Junge setzte sich nur einige Hundert Meter weiter in die Gasse und beobachtete seinen Vater den ganzen Abend. Er sah, wie sein Dad das allabendliche Ritual durchführte - den kaputten Spiegel greifen und sich die fettigen Haare richten, dann in alle Decken einlullen, die dünn und voller Löcher waren und schließlich war sein Vater irgendwann eingeschlafen.
Aber Benny trieb die Kälte und die Verzweiflung noch lange Stunden dazu, wach zu bleiben. Er verfluchte so einiges in dieser Zeit. Seinen Vater, seine dreckigen, stinkenden Klamotten - seinen dreckigen, stinkenden Körper und die Obdachlosigkeit. Irgendwann aber fiel er in den Schlaf.

Stacie kam von ihrer Arbeit.
Sie trug ihren dicken Mantel und lief schnellen Schrittes nach Hause.
Jedoch war da plötzlich ein Stein, der sich ihr in den Weg legte und sie stollpern ließ.
Mit einem erschrockenem "Huch" konnte sie sich gerade noch halten, doch
ihre Tasche fiel auf den Boden.
"Och man..." murmelte sie und hockte sich hin, um ihre Sachen wieder einzusammeln.
Ihr Lippenstift rollte auf Benny zu und blieb vor seinem Fuß liegen.

Kieran trat durch die Gassen und schwere Schneeflocken tänzelten auf das schwarze Bailey-Haar.
Der junge Mann fühlte sich elend und krank.
So krank wie kaum zuvor und beim gehen griff Kieran in seine Manteltasche.
Er zog eine Zigarette daraus und zündete sie sich an.
Als wäre diese die Lösung seiner Probleme, nahm er einen tiefen Zug davon und fühlte sich besser.
Fühlte sich verstanden.
Zumindest von jemanden, nämlich von diesem schädlichen kleinen Ding.
Es hatte sich viel getan dieses Jahr und viele Familien feierten zu dieser Zeit.
Gingen zusammen einkaufen oder machten ein Fest.
Es zerriss den ehemaligen Slytherin beinahe und vernebelte seinen Verstand.
Please come home for Christmas.
Ein altes Lied ging ihm durch den Kopf, er wusste nicht warum...
Aber es passte zu seiner Stimmung, weil er sich deprimiert fühlte und die Melodie ihn noch mehr runter zog.
Kieran nahm einen zweiten Zug und stiess den Rauch aus der Nase aus.
Miranda hatte er gesagt, das er Levin holen wollte und die anderen.
Er tat es nur, als Enschuldigung für sein Verhalten.
Denn er schämte sich.
Anstatt glücklich an die Party zu kommen und als Freund, war er als Loser aufgetreten und traurigen, armseligen Spielverderber.
Levin und die anderen sollten kommen und dort etwas aufheizen.
Die konnten das besser als er, die wussten sich wennschon zu freuen.
Stacy kam Kieran kurz in den Sinn und so viel ihm Eliza ein.
Eliza.
Anthony.
Mom...
Kieran warf seine Zigarette weg und er blieb an der Ecke stehn.
Wie bei seinem Vater, so wurde es ihm oft richtig schlecht und er fühlte sich, als müsste er gleich brechen.
Diese Gesellschaft...alles was passiert war...
Nicht auszuhalten, oh, nicht auszuhalten!
"Please come home for Christmas.
If not for Christmas, by New Year's Night", wisperte Kieran in stockendem Atem und übergab sich daraufhin.