RE: Bar - 98

Li hatte Liang nachgesehen, noch einen Moment rührte er sich nicht, doch schliesslich schloss er dann die Tür zu.

"Hao", Marc wollte sich schon aufrichten und mit aufrichtigen Gang gehen, doch rechtzeitig, ehe er sich ganz aufrappelte, bemerkte er, dass er ja vllt. noch warten musste.
Er richtete sich daher wieder auf den Knien hin und legte die Hände darauf.

Katsumi musste innerlich nur den Kopf schütteln und er sah streng zu Marc.
Bestimmt hatte er sich ein wenig mit den 900 Versen beschäftigt.
"Kannst du einen der 900 Verse auswendig?", fragte er ihn daher.

Marc rührte sich einen guten Moment nicht.
Seine Gedanken schwirrten zu den Versen zurück.
Äusserlich wachsam und erwartungsvoll.
"Denn ihr Tod ist unser Lob...
Denn ihr Blut tut unsrer Ehre kund", sprach er dann und blinzelte zum Schluss kurz.
Das war ihm das einzige von ihm geblieben.
Der 97 hat ihm damals besonders gefallen.

Katsumi blickte ruhig zu Marc.
Vers 97 oder 98, einer der beiden.
"Sage mir, warum du diesen Vers ausgesucht hast", forderte ihn Katsumi nun auf.
"Was er für dich bedeutet."

Marc blickte nun nicht mehr zu Katsumis Angesicht, sondern etwas schweigsamer im Blick auf Katsumis Kimonogürtel.
Der Schein der Kerzen bildete Schatten der beiden.
Marc antwortete nicht.

"Marcu-san!", riss ihn Katsumi streng in die Realität zurück.
"Wenn ich dich etwas frage, verlange ich Antwort! Also sprich!"

Marc schreckte perplex auf und dabei war sein Blick wieder auf Katsumis Angesicht gerichtet.
Die Zeit blieb dabei wie stehen und er glaubte seinen Herzschlag zu spüren.
Schliesslich fasst er sich wieder und das nutzte er auch aus.
Er richtete sich nun aber schnell vom Kissen auf und wollte dazu keine Antwort geben.
Das ging niemanden etwas an.
Er verbeugte sich vor Katsumi und wollte dann unwohl zu Mute los.

Katsumi gefiel das gar nicht.
Nein, so ging das nicht!
"Wenn du jetzt gehst, Marcu-san", sagte Katsumi mit drohender Stime,
"dann enterst du nicht nur deine Schwester, mich, deinen Vater, sondern auch den König. Denn König Tarabas kennt die 900 Verse und er würde niemals so leichtsinnig diesem Thema ausweichen."

Marc blieb bei der Tür stehen, den Rücken immer noch zu Katsumi gewandt.
Leicht hörte man ihn laut ein und ausatmen und dann folgte Stille.
Betroffenheit.
Marc drehte sich um und kam mit einer sehr bedenklichen Haltung zurück.
Wortlos setzte er sich und blickte vor sich noch einen Moment stumm her.
"Man soll töten, wen man hasst.
...
Die man hasst."

"Hass ist ein grosses Wort", sagte Katsumi und Marc war nicht der erste, den er da belehrte.
Ja, selbst einigen Otopianern hatte Katsumi damals erklären müssen, dass Hass nicht so schnell verwendet werden durfte.
"Hass ist ein starkes Wort. Benutze es niemals leichtsinnig. Hass kann selbst zerstören."

Marc hob nun seinen Blick und blickte in die Augen von Katsumi.
Benommener wurde Marcs Blick und leicht schluckte er, nun dachte er näher nach über die Worte.
Hass und Selbstzerstörung.
Marc rührte sich nicht, doch dennoch beeindruckte ihm da etwas.
Er konnte Liang in Gedanken vor sich erkennen, sein Blick damals und wie er da gestanden hatte.
Sein nasses Haupt und diese Augen.

"Denn ihr Tod ist unser Lob...
Denn ihr Blut tut unsrer Ehre kund", wiederholte nun Katsumi die Versworte und er begann den ganzen aufzusagen.
"So lasset uns diejenigen zu Augen führen, deren Tod wir sehnen und feiern.
Lasset uns ihre Schmach und Angst als Anbetung sehen und ihre Lobgesänge hören.
Denn ihr Tod ist unser Lob.
Denn ihr Blut tut unsrer Ehre kund.
Lasst sie uns nicht vorenthalten, denn sie sollen sagen, was sie zu sagen haben.
Ein schwerer Vers, Marcu-san. Bist du dir wirklich sicher, dass du ihn jemals verstehn wirst? Nur ehrenhafte Krieger und Kämpfer tun das."

Marc hörte zu, wie Katsumi anfing den vertrauten Vers aufzusagen.
Dabei funkelten die dunklen Augen des kleinen verschwörerisch auf.
Aufmerksam hörte er den Vers zu.
Viel hatte sich nicht geändert, als damals, er hatte sehr gefallen an ihm, ja schon etwas innere Gier verspürte er, daher kam er nicht drumrum etwas seine Lippen zu befeuchten, ehe er wiederum den Mund schloss und aufmerksam abwartete, was Katsumi nun sagen würde.
Was Katsumi sagte, war eine Zurechtweisung und Marc wusste, dass Katsumi ihm den Vers bestimmt nicht erklären würde, bis er ihn vllt. selber einmal zu spüren bekommen hätte.
Oder etwas getan hätte, was Katsumi wohlgesonnen war.
Marc blinzelte über diesen Gedanken kurz und wartete entschieden ab.

"Ich gebe dir einen besseren Vers", sagte Katsumi, der viele Verse im Gedächnis hatte.
Zwar konnte er ihre Nummern nicht immer hundert Prozentig bestätigen, dafür müsste er schon nachschlagen.
Aber bei Marc waren auch nicht die Nummern wichtig, sondern der Inhalt.
"Ehren den König, denn er ist der Höchste in Otopia.
Opfere du dich ihm auf und richte dein Leben nach seinesgleichen.
Wage es niemals den Zorn deines Herrschers auf dich zu ziehn, denn seine Macht ist ewig!
Ehre!
Ehre ihn ob Morgen oder Abend."
Katsumi machte eine kurze Pause.
Er wiederholte den Vers dann ein zweites Mal und sprach schliesslich weiter.
"Diesen Vers wirst du verstehn. Versuche dein Leben nach ihm zu gestalten."

Marc blinzelte und hörte sich den Vers ein zweites Mal an.
Sein Blick zeigte Interesse, aber dennoch sitzte er weitaus noch nicht so tief wie der andere Vers, der Marc nicht verstand.
"Wie kann man den König ehren?", wollte Marc auf einmal wissen.
Da ihm auffiel, dass der König doch viel zu weit weg war, um sich vor ihm zu verbeugen, oder etwa ein Geschenk zu geben. xD