RE: Zirkus Silverlight - 47

Das Mädchen lief an die moderne Spühle, drehte den Wasserhahn auf, zog einen Messbecher hervor und machte sich daran, Taro einen Kaffee zu kochen. Dass es schon fast Mittag war, musste sie ihm ja nun nicht auch noch auf die Nase binden.
Taro ließ sie rumhantieren, legte einen Arm über die Couchlehne und schaltete den Fernseher ein.
Er selbst sah wirklich alles andere als gut aus und selbst Josh hätte ihn in diesem Moment wohl nicht sehen wollen.
Leichte Augenringe hatten sich unter seinen Augen gebildet, weil ihm einfach der Schlaf fehlte und die Shows ja auch nicht unbedingt gemütlich für ihn waren, wenn er sich und den Zirkus gut präsentieren wollte.
Schließlich war Rabia irgendwann fertig und sie kam mit einer riesigen Tasse dampfenden Kaffee zurück, dem sie ihm sogleich in die Hand drückte und gar keine Widersprüche zuließ.
"So, mein Hübscher. Dann erzähl Tante Rabia mal, was los ist mit dir."
"Nichts."
"Nichts...das Wort endet auf s. Und weißt du, was noch auf s endet? Es ist doch etwas. Ich kenn dich lang genug, als raus mit der Sprache."
Aber Taro pustete nur leicht in seinen Kaffee und trank dann ein paar Schlucke.

Taro lehnte sich leicht zurück und blickte auf den Fernseher und er schaltete belanglos weiter, als er sah, dass dort eine Schulze lief.
Rabia setzte sich nun neben ihn und beobachtete, wie er weiter durch das Fernsehprogramm zappte.
"Du bist eine Hexe", sprach er nach langem Schweigen und Rabia blinzelte etwas.
Wie?
"Taro..."
"Ja, ich weiß schon. Rabanus weiß es?"
Doch Rabia schwieg und schnappte ihm nun die Fernbedienung weg.
"Lenk nicht vom Thema ab! Hier geht es um dich und nicht um mich, mein Lieber."
Taro stellte nun die große Tasse auf den Couchtisch und blickte leicht zweifelnd zu ihr.
Er hatte es kommen sehen.
"Kannst du bitte aufhören, mich zu durchschauen?"
"Warum sollte ich das tun? Also, nun?", reimte sie schon fast ohne es zu merken.
Taro lächelte darüber etwas und legte seinen Fuß auf das Tischchen vor sich.
"Also...ja. Es ist...etwas."

Rabia grinste triumphierend und sah weiterhin aufmerksam zu ihm.
Sie hob dann ihre Hand und kniff Taro spaßeshalber in die Wange.
Daraufhin lachte sie und wartete geduldig ab.
Taro jedoch runzelte fragend die Stirn und verstand nicht ganz den Sinn daran.
"Nun fang schon und mach es nicht so spannend!"
"Rabia", murmelte Taro abwehrend. "Dann lass mir doch die Zeit."
Er blickte ernst zu ihr und stand nun wieder auf.
Wo nur anfangen? In welcher Weise?
"Kannst du dich noch an...an Leo erinnern?"
Rabia öffnete leicht den Mund und schwieg für sich. Natürlich konnte sie das!

Taro nickte, stellte sich hinter die Couch und legte beide Hände daran, um sich abzustützen.
"Und du weißt ja auch, was mit ihm war, nicht?"
Rabia wurde hellhöhrig und sie sah aufmerksam zu ihm auf.
Gott, wenn er es doch nur nicht so spannend machen würde!!
Schließlich nickte sie jedoch, um ihm zu zeigen, dass er bloß endlich anfangen sollte.
"Genau", sprach Taro und lief nun etwas durch den kleinen Wohnzimmerabschnitt.
"Weißt du...damals...da gab es eine Zeit, die mich sehr unsicher wegen ihm gemacht hat."
Rabia nickte, auch wenn sie das bis jetzt nicht gewusst hatte.
Was wollte er denn damit sagen? Sie lauschte neugierig.
Dass Taro das Thema hier bei ihr begann, war einfach, weil er es in erster Linie loswerden musste und in zweiter Weise wusste er, dass er dem Mädchen vertrauen konnte. Schließlich waren sie in den Jahren wie Geschwister geworden.
"Aber warum denn?", wollte sie nun wissen. "Hattest du etwas gegen ihn?"
Taro lachte leicht und wank ab.
"Wenn es nur das wäre. Aber nein...so ist es ja nicht. Er hat sehr sehr offen mit seiner Neigung gelebt und das hab ich bewundert. Wie alt war ich damals? 17 vielleicht? Und er...er war 19? Ja?"
"Ganz genau."

Taro seufzte, blieb nun stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte aufmerksam zu ihr runter.
"Also wie schon gesagt...ich hab ihn deshalb bewundert", begann er erneut.
Rabia platzte fast vor Spannung und sie krallte sich schon leicht mit den Fingern an das Sofa.
Ihre Augen blitzten leicht und sie wartete atemlos ab.
"Und dann...wir sind mal wieder zu einem anderen Standort gefahren und du weißt ja, dass er mich immer mitgenommen hat, weil ich noch keinen Führerschein hatte. Rabia...er ist wegen mir gegangen. Er hat mich damals geküsst..."
Rabias Augen wurden immer größer und sie schlug sich die Hand vor den Mund.
Wie bitte?!
Und...war das das, was Taro beschäftigte? Aber nein, dafür lag das zu weit zurück.
Und dennoch. Sie war schockiert! Das hatte er ihr niemals erzählt! Und wenn er es einem anderen erzählt hätte, wäre es sicher bei ihr angekommen. Unglaublich.
Taro schwieg, als auch sie es vorzog, weiter zu schweigen und setzte sich wieder neben sie.
"Rabia, seit diesem Tag war ich sehr verwirrt und ich wollte bis vor kurzem einfach nicht wahrhaben, dass es mir gefallen hat!"
Das Mädchen sah nun überraschter noch als zuvor zu ihm und schüttelte zweifelnd den Kopf.
"Taro, du bist...du bist....ich meine, bist du..?"

Taro hob leicht eine Augenbraue und er nickte nun bestimmter.
"Ich bin. Aber das bedeutet ja nicht, dass ich Frauen nicht attraktiv finde, ich hatte ja auch ne Freundin und so. Aber bei Männern...da ist das einfach noch etwas anderes, verstehst du?"
Er schien jetzt ruhiger zu werden und ein hoffnungsloser Ausdruck machte sich auf seinen Lippen breit.
Jetzt war es draußen und Rabia wusste es.
Doch entgegen dem, was er dachte, sie würde vielleicht reagieren, fiel sie ihm um den Hals.
"Oh Taro! Du dummer dummer Junge! Wie konntest du nur so lang schweigen, hm?", küsste sie ihn links und rechts einmal auf die Wange und strahlte ihn an.
Nein, sie fand es keineswegs schlimm, denn sie kannte Taro ja und daher war nun kein anderer Mensch deswegen.
Taro war ein wenig überrumpelt und ließ sich nur widerwillig von ihr auf die Wange küssen.
Leicht verzog er das Gesicht und starrte vor sich hin.
"Jah, warum wohl..."
"Oh, Taro. Aber mir hättest du es doch erzählen können! Mensch, ich bin so froh, dass du endlich darüber sprichst. Und jetzt erzähl schon, wie kam es dazu, dass du es dir eingestanden hast?"
"Ich habe mit Josh geschlafen", blickte er aufrichtig zu ihr auf.

"Wie?", fragte sie, nun doch etwas schockiert.
"Welcher Josh denn?"
Doch bevor er überhaupt Antwort geben konnte, fiel es ihr ein.
Natürlich! Der Josh. Ihr war doch sofort klar gewesen, dass da etwas im Busch war, als sie Josh dabei gesehen hatte, wie gespannt er die Show von Taro auf dem Monitor verfolgt hatte. Aber das! Unglaublich.
Das Mädchen lächelte sanft und wuschelte ihm durch die Haare.
"War es schön, ja?"
Taros Mundwinkel zuckten und zaghaft nickte er dabei.
"Ich kann mir nichts schöneres denken, Rabia."
"Oooooooooooh Taro, du bist so süß! Wie ich das bei dir vermisst hab! Und jetzt ist mir endlich klar, warum."
Sie lächelte sanft und setzte sich wieder normal hin.
"Er hat es dir wirklich angetan, was? Ich meine...so wie du aussiehst, das würde keine Frau der Welt fertig bringen."

"Ach, nun übertreib mal nicht", wehrte er nun wieder ab und verschränkte die Arme.
Doch Rabia lächelte scheinheilig und sie verwuschelte ihm nochmal die Haare.
"Aber ich kann mir denken, was los ist mir dir. Du willst es ihm sagen, nicht?"
"Jah, aber wie? Ich will Josh ja nicht verstecken müssen."
"Das geht auch nicht mehr lang gut. Selbst Aladar ist schon misstrauisch und das soll was heißen."
"Kannst du mir helfen? Einfach...sagen, wann der richtige Zeitpunkt ist, ja?"
Er sah so hoffnungslos zu ihr auf, dass es schon fast zum weinen für das Mädchen war.
Besorgt strich sie ihm mit einer Hand über die Wange und zog ihn an sich heran.
Rabia schwieg lange Zeit.
"Jetzt ist der richtige Zeitpunkt."

Sie nickte bestimmt und lächelte nun aufmunternd.
"Bitte, Taro. Du machst dich sonst nur selbst kaputt."
"Aber...er wird mich rausschmeißen und das wäre ganz furchtbar für mich."
"Wäre es nicht furchtbarer, deine sich gerade entwickelnde Liebe einfach so fortzuschmeißen?"
"Rabia, der Zirkus ist mein Leben."
"Aber so toll kann er ja nicht sein, wenn er dich kaputt macht."
"Mich machen die Umstände kaputt...das ist es."
"Ich weiß doch, aber..."
Doch da klopfte es an der Tür.

Juana stand draußen und richtete sich nochmal das Haar.
Heute würde sie ihn knacken! Gar keine Frage. Wäre ja gelacht, bei ihrer Aufmachung.
Sie lächelte selbst überzeugt und wartete schon fast ungeduldig ab.

"Mhm...ich geh mal aufmachen", murmelte er leicht, stand auf und lief sogleich an die Tür.
Doch wen er dort vorfand, überraschte ihn schon etwas.
Wie sah sie denn aus? Innerlich musste er sogar amüsiert auflachen.
"Ja?"
"Oh, Taro! Wie schön, dich zu sehen. Und du bist ja auch direkt...richtig angezogen", wollte sie witzig sein.
Taro blickte an sich hinab und ihm fiel auf, dass er tatsächlich ja immmer nur noch seine Shorts anhatte.
Er grinste dann etwas, damit es nicht allzu peinlich für die junge Frau wurde und nickte.
"Seh ich genauso."
"Hehe...kann ich...vielleicht reinkommen?"
"Oh, ist grad ganz schlecht. Rabia-Schätzchen...ziehst du dir dann bitte noch etwas an? Wir müssen gleich zum Training."
Das letzte, an Rabia gewandte, rief er in den Wohwagen hinein und da er die Tür nie wirklich weit genug aufhielt, konnte Juana nur erahnen, was da vor sich ging.
Empört riss sie die Augen auf und sie konnte vor Entsetzen nicht einmal den Mund schließen.

"Rabia?", fragte sie und zischte den Namen fast.
Na, die würde sie sich noch krallen! Kleines Miststück. Tz.
"Oh, na, dann will ich nicht länger stören. Hat mich sehr gefreut, dich zu sehen. Und wer weiß, vielleicht verläufst du dich nachher in meinen Wohnwagen, ja?"
Sie zwinkerte, wackelte leicht mit den Hüften und ging schonmal die Stufen wieder hinab.
Taro dagegen nickte nur leicht.
"Wie du meinst, Juana."
Daraufhin ließ er auch schon die Tür ins Schloss fallen und Juana trat wutentbrannt in den Kies unter ihren Füßen.
Das war doch wirklich das letzte! Wie konnte er sie ihr vorziehen?

Rabia hatte sich ein Kissen geschnappt und lief schon puterrot an, weil sie so leise wie möglich für sich kicherte.
Schließlich, als Juana verschwunden war, brach das Gelächter einfach so laut aus ihr heraus, wie es nur ging.
Selbst Taro wurde davon angesteckt und er schüttelte schmunzelnd den Kopf.
Als sich Rabia irgendwann wieder einkriegte, wischte sie sich noch die Freudetränen von den Wangen und hustete leicht.
Wirklich, Taro war einmalig.
Sie lächelte dann, stand auf und nahm Taro je zu beiden Seiten an die Hände.
"Lass uns zu meinem Vater gehen, ja?"
Taro seufzte schwer und blickte fragend zu ihr hinab.
"Es muss sein, Taro. Bitte! Wenn du es nicht für mich tust, dann wenigstens für Josh, ja? Für eure Beziehung zueinander."
Der junge Artist schwieg noch etwas, doch dann wurde sein Blick fester und entschlossener.

Schließlich war es soweit, Rabia hatte Taro dazu gebracht, es endlich hinter sich zu bringen.
Sie führte sie den jungen Artisten noch bis zum Büro ihres Vaters und wünschte ihm alles gute.
Rabia selbst allerdings musste jetzt fort, zum Training.

Taro atmete noch einmal tief durch, schließlich klopfte er aufmerksam an und trat auch schon ein.
Rabanus schien heute weniger schlecht gelaunt. War etwas passiert?
Schweigend setzte er sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch seines Vorgesetzten und legte die Hände zusammen.
"Taro", murmelte Rabanus, der ohne aufgeblickt zu haben bereits wusste, wer ihn da störte.
"Rabanus."
"Was führt dich her? Gibt es etwas wichtiges?"
"Das kann wohl so sagen, ja."
"Dann schieß mal los. Du weißt, ich habe nicht den ganzen Tag für Nichtigkeiten Zeit."
"Das ist keine Nichtigkeit", meinte Taro fester.
Nun wurde Rabanus hellhöhrig, er schob ein wenig seine Brille höher und hob den Kopf.
"So, nicht? Und warum ist sich der Herr so sicher, dass mich das interessiert?"
"Mir ist es wichtig, dass es dich interessiert, Rabanus."
Der Zirkusdirektor lachte leicht, lehnte sich gemütlich zurück und wies Taro, ruhig fortzufahren.
"Ich...ich habe einen Freund", kam es von ihm und er schluckte.
Rabanus allerdings verstand nur Bahnhof.
"Natürlich und nicht nur einen, will ich doch mal meinen."

Taro runzelte die Stirn. Wie? Doch da wurde es ihm klar, was Rabanus meinte und er wank ab.
"Nein, Rabanus. Das meine ich nicht."
Der Zirkusdirektor verschrenkte leicht die Arme und versuchte aus Taro schlau zu werden.
"Hör mal, wenn du mir erzählst, dass du einen Freund hast, der hier bei uns anfangen will...warum kommt er dann nicht selbst? Ich habe keine Lust, mich mit dir rumschlagen zu müssen und dann von ihm die gleiche Geschichte nochmal zu hören. Du weißt, ich bin ein sehr vielbeschäftigter Mann und ich kann..."
"..nur wenig Zeit für deine Familie aufbringen. Ich weiß. Weißt du, in den letzten 10 Jahre habe ich dich nicht einmal darauf aufmerksam gemacht, dass du mein Onkel bist und dich vielleicht ein wenig anders zu mir verhalten solltest. Stattdessen hab ich jedes schlechte Wort hingenommen, weil ich dich nunmal kenne. Aber...jetzt hörst du mir bitte mal zu.."
Rabanus wollte schon etwas einwerfen, aber Taro fuhr augenblicklich fort.
"Ich habe einen Freund. Ich...ich bin schwul, o-okay?"
Als Rabanus das hörte, veränderte sich seine Gesichtsfarbe von Schweinchenrosa zu Tomatenrot.
"WIE BITTE?!", platzte es aus ihm heraus und er explodierte wie eine Bombe, die gerade entzündet wurden war.
Doch dann hielt er leicht inne und schnappte nach Luft.
Und plötzlich...Rabanus lachte. Er lachte aus Leibeskäften.
"Haben wir heute den 1. April? Wenn ja, dann hätte ich es dir fast abgenommen, Junge."
"Das ist mein Ernst gewesen", sprach Taro ruhig.