RE: Zirkus Silverlight - 48

Rabanus wollte gerade weiter lachen, doch dieses blieb ihm im Halse stecken.
Sein Gesicht fror regelrecht ein und von einer Sekunde auf die nächste war alles totelstille um die beiden.
Der Zirkusdirektor sah Taro an...sah ihn angewiedert an und musterte ihn nun von oben bis unten.
"Mach, dass du hier rauskommst, bevor ich mich vergesse. Habe ich dich vielleicht zu so etwas erzogen? RAUS!"
Und Taro tat, wie ihm geheißen.
Ohne ein weiteres Wort verließ er den Wohnwagen und ebenso den Zeltplatz, mit samt seines Autos.

"Taro ist was?!", fragte Aladar und rief es schon regelrecht aus.
Rabanus nickte nur und wies ihm dann, ihn alleine zu lassen.
Der junge Mann schüttelte ungläubich den Kopf, stand schließlich auf und verließ den Wohnwagen.
Fast wie in Trance lief er an den anderen Wagen vorrüber und faste sich an die Stirn.
Das war doch unmöglich.
Als er an der Nummer 8 vorbeiging, öffnete sich leicht sein Mund und er wollte schon hochgehen und anklopfen.
Doch eine Hand packte ihn von hinten und zog ihn zu sich herum.
"Bitte, Aladar. Du darfst ihn nicht auch noch verstoßen."
Doch Aladar blinzelte nur pikiert und atmete aus.

Rabia legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm und seufzte.
"Lass es mich probieren zu erklären, ja?"
Aladar sah ernst zu dem Mädchen und nickte nur abwesend.
Er konnte es nicht fassen. Die ganzen Jahre.
Und er hatte ihn belogen. Die ganze Zeit.
Was dachte er sich eigentlich?
Schließlich schnappte Rabia ihn und zog ihn mit zu sich in ihren Wohnwagen.

Schon kaum einige Momente später kamen sie auch schon an und Rabia klopfte kurz.
Dea von drinnen hörte das Klopfen, trat an die Tür und öffnete diese.
"Schätzchen, Kriesensitzung", murmelte Rabia, schob die ruhige Dea zur Seite und zog den schweigenden Aladar mit sich hinein.
Dea hob leicht die Augenbrauen, trat etwas zur Seite, damit die beiden Platz hatten und schloss schließlich die Tür wieder.
Sie selbst wusste noch nicht, was vorgefallen war und daher lehnte sie sich abwartend an die kleine Küchentheke.

Aladar nahm auf der kleinen Couch Platz, allerdings auch nur, weil Rabia in physisch dazu zwang.
Immer wieder schüttelte er etwas den Kopf und Rabia ließ sich neben ihm auf der Lehne nieder.
Aufmerksam schwieg sie noch etwas, doch dann bat sie Dea, doch etwas Tee zu kochen.
Diese nickte nur und machte sich sogleich an die Arbeit.
"Also...", begann das Mädchen, sich wieder zu Aladar wendent.
"Hör zu. Ich...Taro hat es mir erzählt, bevor er zu Rabanus gegangen ist."
Aladar hob dabei den Kopf und warf ihr einen tötenden Blick zu.
Dass er ihn auch noch in dieser Vertrauensfrage so hintergangen hatte, hätte sie ihm wirklich nicht erzählen müssen.
Aber Rabia ließ sich nicht abhalten und sie begann ihm das zu sagen, was sie von Taro wusste.

Sadira kam in den Wohnwagen und entdeckte Lex vorm Spiegel.
Er schien heute ungewöhnlich gut gelaunt. Das kannte sie ja eigentlich schon fast gar nicht mehr von ihm.
Lex lächelte etwas, während er seine rauhen Hände eincremte und schien auch sonst sehr gut aufgelegt.
"Was hast du denn genommen?", fragte sie leichthin, stellte ihre Tasche auf das Tischchen und band ihre Haare zusammen.
"Genommen? Schätzchen, du sollst nicht immer von dir auf andere schließen."
Sein Lächeln wurde daraufhin breiter, während er durch den Spiegel zu ihr nach hinten sah.
"Weißt du denn noch nicht das neuste vom Neusten?"
Sadira blickte fragend zu ihm, runzelte etwas die Stirn und stellte sich schließlich direkt hinter ihn.
Die junge Frau legte ihr Kinn an seine Schulter und betrachtete seinen Körper im Spiegel.
"Was? Dass du seit neuem ins Studio gehst?"
"Haha. Lustig sind wir heute mal wieder gar nicht, was?"
"Mhm", murmelte sie, nahm ihm eine Zigarette weg und zündete sich diese an.
"Dann sag schon, los."
"Was bekomm ich dafür?"
"Einen Arschtritt weniger. Los, Lex. Nun fang schon an, ja?"
Lex verdrehte die Augen, doch ihm ging es zu gut, als dass er nun schlechte Laune bekommen konnte.
"Taro, der gute hat einen Freund."
"Nein", murmelte Sadira gespielt überrascht, schüttelte nur etwas den Kopf und wandte sich wieder ihrer Tasche zu.
Aber Lex ließ sich gar nicht von ihr abbringen.
"Ich meine so richtig. Taro ist auf das andere Ufer übergesprungen. Na, da staunst du, was?"
Vor Schreck ließ die junge Frau glatt ihre Zigarette fallen.

Rabia kam zum Wohnwagen von Rabanus und ihre sonst so glückliche Miene wurde ernster.
Seit Taro gegangen war, weil ihr Vater ihn rausgeschmissen hatte, war einige Zeit vergangen.
Der Zirkus war schon weiter gereist, an andere Orte, die auf dem Plan standen.
Ein neuer Tag war angebrochen und mit der Zeit ließen sich auch weniger Zuschauer nur noch blicken.
Klar, es machte nicht so viel aus, dass Rabanus Miese machte, aber es fiel auf.
Rabia klopfte also an und nach einem kurz zu vernehmenden Brummen, trat sie auch schon.
"Guten Morgen", sagte sie und versuchte, sich nicht allzu viel anmerken zu lassen.
"Morgen."
"Dad, ich..."
"Jah?"
Rabanus hob ernst den Blick. Im Hintergrund, auf einem Fernseher, liefen alte Aufnahmen.
Diese stammten von verschiedenen Auftritten des Zirkus.
"Was gibt es denn, Rabia?"
"Dad, weißt du, du....ich meine.."
"Es geht um Taro?"
Rabia schluckte leicht auf und ließ sich neben ihm auf der Lehne des Sessels nieder.
"Du hast einen großen Fehler gemacht, merkst du das denn nicht?"
"Ich mache gleich einen großen Fehler, wenn du mich weiter damit nervst. Wirklich, du kommst zu sehr nach deiner Mutter."
"Dad!"
"Was?", schnauzte er nun, nahm die Fernbedienung und drückte auf Pause.
Zu sehen war nun ein Bild, dass im Pausenmodus den jungen Taro und seine Löwen zeigte.
"Denk doch bitte nochmal darüber nach. So...so kann es einfach nicht weitergehen!"

Rabanus seufzte nun tief auf und blickte strafend zu seiner Tochter.
"Er hat mich enttäuscht, das ist nicht zu verzeihen."
"Nicht zu verzeihen? Hör doch, er hat sich nur verliebt! Nur...nur verliebt!"
"Jah, genau. Das sagst du schon richtig. In einen Mann. Verstehst du, was das bedeutet?"
"Natürlich. Aber das macht doch nichts!"
"Ach nein? Zeig mir mal die Zuschauer, die einen schwulen Löwenbändiger sehen wollen!"
Rabia lachte nun unecht auf und erhob sich wieder.
"Willst du mir sagen, dass du rausgeschmissen hast, weil du ihn schützen wolltest? Das kann doch nicht dein Ernst sein!"
"Folg ihm wenn du willst. Ich halte dich sicher nicht auf."
Rabia schüttelte nur stumm den Kopf, lief zur Tür und öffnete diese.
"Du bist blind vor Hass, weil dein engstirniger Stolz verletzt wurde. Wir brauchen Taro. Ob du das wahrhaben willst, oder auch nicht. Es ist definitiv so."
"Ich brauche ihn sicher nicht...", grummelte er nur, ohne sie anzusehen.
"Früher oder später wirst du schon merken, wie sehr du ihn brauchst. Ich hoffe nur, dass es dann nicht zu spät ist. Taro ist jung, er hat ein eigenes Leben. Und wenn er will, Gott, dann kann er auftreten, wo er will!"
Das Mädchen verließ den Wohnwagen.

Aladar schloss gerade einen Käfig zu, als ein Mann an ihn herantrat, ihm einen Brief reichte und dann wieder zurück an seine Arbeit verschwand. Der junge Mann blickte fragend auf den Kuvert in seinen Händen und drehte ihn so, dass er erst den Absender lesen konnte und dann die Anschrift.
Sofort verkrampften sich seine Finger, worunter der Briefumschlag sichtlich zu leiden hatte.
Taro...
Sein Kiefer zuckte, während er sich durch das kurze Haar fuhr und ohne wirklich darauf zu achten, wo lang er lief, betrachtete Aladar weiter schweigend den Namen.
Wirklich nicht das, was ihm den Tag versüßen würde.
Doch da spürte er zwei Hände, die sich auf seine Hüften legten und näher zu sich zogen.

Juana stand hinter dem Artisten und schmiegte sich aufreizend an ihn.
Sie lächelte leicht in sich hinein und wartete auf eine Reaktion.
Aladar, der den Brief wohl öffnen wollte, nahm aber erst ihre Hände von sich und drehte sich zu ihr um.
"Hallo", begann sie, sehr unschuldig, was natürlich mehr als gespielt war.
Aladar hob etwas die Augenbrauen, schmunzelte aber und verschränkte die Arme.
"Ja?"
Juana ließ sich gar nichts anmerken, hob eine Hand und strich ihm über den Oberarm.
"So alleine? Heute ist doch dein freier Tag."

Aladar ließ sich nichts anmerken, betrachtete sie nur aufmerksam.
"So ist es. Aber so alleine kann ich ja nicht sein, wenn mich jemand so hübsches hier erwischt hat."
Juana sah auf den Brief und verzog etwas den Mund.
Nein! Nochmal würde sie keine Abfuhr zulassen und seine Antwort bestätigte sie nur ungemein.
"Tja...", lächelte sie insgeheim und strich weiter über seinen Arm, wobei sie ihm wieder näher kam.
"Du hast mir ja gar keine andere Wahl gelassen."
Aladar beobachtete das genau und schmunzelte erneut.
"So?", antwortete er, was ihn dazu veranlasste, den Brief ganz zu vergessen.
Schließlich ließ er ihn sogar unbeachtet zu Boden fallen, schlang augenblicklich seine Arme um ihre Hüften, hob etwas die Hand und strich ihr am Hals entlang.

Juana grinste, lehnte ihren Kopf in den Nacken und ließ es geschehen.
Zur Antwort trat sie nur mit Absicht noch mit ihren Stöckelschuhen auf den zu Boden gefallenen Brief und zog Aladar von den Käfigen fort.
Die beiden verschwanden also Richtung der Wohnwagen, ohne, dass es jemand bemerkte und waren auch schon verschwunden.

Einige Stunden später kam Rabia an den Käfigen vorbei, während sie über ihr neues Kleid strich.
Sie war sehr stolz darauf. Im Grunde hatte sie Aladar gesucht, um nochmal mit ihm zu sprechen, aber er schien wohl nicht da zu sein.
Also trat sie an dem Stuhl vorbei, der extra dort für die Löwenbändiger bereitstand und blickte fragend auf den Brief, der langsam im Schlamm versank.
Stirnrunzelnd bückte sie sich danach hinab und hob ihn mühevoll auf.
Taro?
Sie bekam große Augen und versuchte einen Absender zu erkennen.
Doch das einzige, was sie sehen konnte, war der Poststempel.
Marokko?
Rabia blinzelte verwirrt auf. Warum denn...?
Oh!
Aber da fiel ihr etwas ein. Sie dachte dabei an Josh und hielt einen Moment inne.
Ob das so gut war, wenn sie ihn Taro brachte?
Schließlich faste sie aber einen Entschluss, zückte ihr Handy, rief bei Taro ein und vereinbarte mit ihm ein Treffen.

Und es kam, wie Rabia es vorraus gesagt hatte.
Durch die fehlende Hauptattraktion hier im Zirkus blieben die Kunden aus. Und Rabanus war noch schlechterer Stimmung als bisher.
Alles musste er selbst machen! Niemand, der ihn unterstützen oder dem er etwas wichtiges anvertrauen konnte!
Natürlich waren sie hier eine große Familie...aber das war einfach etwas anderes!
Der Zirkusdirektor schnaubte auf und verließ zu guter Letzt einigen Tagen den Wohwagen.
So langsam hatte er eingesehen, dass es ein Fehler gewesen war, seinen Neffen fortzuschicken.
Nicht nur, dass er ohne ihn mindestens nur noch die Hälfte von dem verdiente wie sonst...er fehlte hier einfach.
Taro war doch eigentlich der Zirkus. Und er hatte sie bisher alle zusammengehalten.
Rabanus sah ein, dass etwas getan werden musste, nachdem er ihn vor so vielen Monaten rausgewurfen hatte.
Bei Alina vor dem Wohnwagen blieb er widerwillig stehen und klopfte sogar an.

Alina öffnete die Tür und sie rechnete mit dem Schlimmsten.
Die schrecklich schlechte Laune von Rabanus und der Verlust des Zirkus bekam jeden hier zu spühren und bereits mit Yorisho hatte Alina gesprochen, wegen allfälligem gefeuert werden.
Der Japaner hatte sie beeindruckt, da er von sich aus offen und ehrlich erklärt hatte, dass er es mit Fassung tragen würde...jedoch sie selber?
"Oh, hallo Boss", sagte Alina und sie strich sich etwas die Haare zurück.
Jetzt hiess es ruhig bleiben!
Noch mals einschleimen?
Betteln?