RE: Herrenhaus der O'Neills - 8

Während den Ferien war John in Irland geblieben, was ziemlich untypisch für ihn war
und Joana hatte sich erst an diese Tatsache gewöhnen müssen.
Victoria hatte Jill verboten bei ihm zu übernachten. Also wurde sie immer von ihr
nach dem Frühstück gebracht und nach dem Abendessen pünktlich um 8 Uhr wieder abgeholt.
Gemeinsam standen John und Jill vor einem brodelndem Topf in der Küche.
Beide schaute kontzentriert auf das Rezept. "Und du kannst mir die Zutaten wirklich nicht geben?"
fragte Jill plötzlich und John schüttelte den Kopf. "Nein. Das ist eine Hausaufgabe. Die du erledigen sollst"
Nachdenklich tat er ein paar Tomaten hinein. "Komm schon Dad! Bailey wird das niemals herausfinden!"
bettelte Jill und verdrehte die Augen, als John wieder den Kopf schüttelte.
"Aber ich weiß doch gar nicht, wie diese Zutaten aussehen" setzte sie einen drauf.
John schaute sie an. "Das soll doch wohl kein Hindernis sein" Genervt setzte Jill sich auf den
Küchtentisch. "Du bist gemein" schloss sie und verschränkte die Arme.
Seufzend setzte John sich neben sie. "Ja. Ich weiß." stimmte er ihr zu. "Aber weißt du was?" "Du hast es dir anders überlegt?"
Lachend schüttelte John den Kopf. "Nein. Aber ich habe oben eine Bibliothek. Da findest du mit Sicherheit
deine Zutaten beschrieben" John ging wieder zu dem Topf und verzog das Gesicht.
"Und was dann? Soll ich die Ausschneiden und dann mitbringen? Jessica killt mich und Bailey auch"
John lachte leise und drehte sich zu ihr um. "Jill. Da oben ist eine Bibliothek" sagte er noch einmal.
Verwundert zog Jill die Augenbrauen zusammen. Konnte er denn nicht mal klartext reden?
"Ja... ich weiß... und im Keller ist dein Zutatensch-" Jill hielt inne und verstand. "Ooh..." John drehte sich wieder um.
"Dad?" "Hm?" John rührte in dem Topf. "Ich geh mal eben hoch und sag Joana, dass du ihre
Tomatensoße ruinierst" grinsend gab sie ihm einen Kuss und lief dann hinauf in die Bibliothek.

Victoria stand mit ihrer Tochter Jill vor dem Herrenhaus und betrachtete es eine Weile.
Damals war es wie ein Schloss für sie gewesen, das ihr alles geben konnte, was sie wollte.
Sie dachte zurück an damals. Als das Herrenhaus sie beschützt hatte und ihr zu Hause gewesen war.
Damals hatte John alles für sie getan. Sie war seine Prinzessin gewesen.
Seine Königin. Wenn sie etwas haben wollte, hatte sie ihn nie bitten müssen.
Meistens hatte auch nur ein Blick gereicht. Ein unbedachter, den nur John bemerkt hatte.
Selbst sie war sich oft nicht sicher gewesen, was sie eigentlich wollte. Doch John hatte es gewusst.
Er hatte ihre Augen lesen können wie ein Buch.
Damals, als sie noch nicht lange zusammen waren, hatte John sie mit nach London genommen.
Noch nie war sie dort gewesen. Im Tower of London hatte er ihr die Crown Jewels gezeigt.
Fasziniert hatte sie sie angeschaut und sich ausgemalt, wie es sein würde, sie zu tragen.
In einem wunderschönen Kleid, das einer Königin würdig war und mit John als König an ihrer Seite.
„Wenn ich könnte, ich würde sie dir kaufen“ hatte er dann plötzlich in ihr Ohr geflüstert.
Er hatte sie an die Hand genommen, sie zu einem Juwelier gebracht und ihr die schönste Kette gekauft,
die sie jemals gesehen hatte. Damals war sie 16 Jahre alt gewesen. Naiv und dumm.
Tief atmete Victoria durch und fuhr sich durch die Haare. Sie hob ihren Kopf und schritt dann auf
die große schwere Tür zu. Jill folgte ihr und schaute prüfend zu ihr hoch.
Gerne wüsste die Slytherin was in ihrer Mutter vorging. An was sie dachte? An damals?
Oder daran, dass sie es so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte? Sie hätte ja nicht mitkommen müssen!
„Jill, schau mich bitte nicht so an“bat Victoria und straffte ihre Schultern.
Leise lächelnd schaute Jill wieder nach vorne. Da John krank war, hatte sie sich fest vorgenommen ihn zu besuchen.
Dass ihre Mutter auch dabei sein würde, würde John gleich erst erfahren.
Jill verstand nicht, warum ihre Mutter sie nicht alleine mit ihrem Vater ließ. So schlimm war er schließlich nicht.
Doch Victoria schien ihre Gründe zu haben und Jill hatte aufgehört dagegen zu rebellieren. Genauso wie John.
Victoria klopfte an die große schwere Tür und trat ein paar Schritte zurück. Jill legte den Kopf in den Nacken und
schaute hoch zu den Fenstern. Sie fand dieses Haus- dieses riesen Haus- einfach nur super.
„Dad hat mein Zimmer wieder eingerichtet“ verkündete Jill und schaute zu ihrer Mutter, die sie stumm betrachtete.
Damals hatte sie alles mitgenommen und John keine Erinnerung zurückgelassen. Ehe sie etwas sagen konnte,
wurde die Tür geöffnet. Ein Mädchen stand in der Tür und begann zu strahlen, als sie Jill entdeckte. „Jill!“ rief sie,
nahm sie sofort an die Hand und zog sie hinein. „Ich habe eine neue Puppe bekommen!“ Victoria folgte einfach und schloss die Tür.
Sie spürte wie sich ihre Kehle zuschnürte, während sie sich in der Eingangshalle umsah und den beiden Mädchen zur Treppe folgte.
Victoria war damals noch nach Hogwarts gegangen. John war 19 und hatte seinen Abschluss bereits in der Tasche.
Während sie im Klassenzimmer saß und gelangweilt den Professoren zugehört hatte, war John durch die Welt gereist.
Da seine Schwester auch in Hogwarts war, hatte er die Zeit genutzt und im Ausland gearbeitet.
Er hatte ihr immer etwas mitgebracht. Schmuck, Kleidung, Andenken.
Kurz nach ihrem siebzehnten Geburtstag war ihre Mutter gestorben. Ihr Vater war damals nicht mit dem Verlust klargekommen
und plötzlich hatte er in John einen Feind gesehen, der ihm auch noch seine Tochter wegnehmen würde.
Daraufhin musste sie in den Ferien den Zauberstab abgeben und durfte das Haus nicht ohne ihren Vater verlassen.
Doch es hatte nichts geholfen. Nachts war sie aus ihrem Fenster geklettert, war über das Dach balanciert und
war dann an einem Baum hinunter geklettert. Danach war sie eine Weile gelaufen, um dann zu apparieren.
Sie fand sich vor Johns Haustür wieder. Er war der erste an den sie sich hatte wenden können.
Ihre Großeltern hätten sie wieder zurück geschickt, doch er hatte sie mit offenen Armen empfangen und
ihr ein neues zu Hause geboten. Von da an war das Herrenhaus der O’Neills ihr neues zu Hause.
„Jill, schön dich zu sehen“ Johns Stimme riss Victoria aus ihren Gedanken.
Schnell drehte sie sich in seine Richtung und schaute zu,
wie er Jill umarmte. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht und ihr Magen zog sich zusammen.
„Mom ist mitgekommen“ Victorias Miene verhärtete sich, genauso wie Johns. Warum war sie noch mal mitgekommen?
Das Gleiche schien sich auch John zu fragen. Kurz nickte er ihr zu und wandte sich dann wieder an Jill. Er begann zu lächeln.
Victoria musterte John schnell. Sein rechter Unterarm war eingegipst und sein linker war verbunden.
Sie wusste nicht, wie John zu diesen Verletzungen gekommen war. Ihr war es eigentlich auch egal.
Vielleicht hatte er sich wieder in seiner Animagusgestalt in den Wäldern herumgetrieben.
Er war selber schuld.
Oft war ihr Vater vor dem Herrenhaus aufgetaucht und hatte sie wieder mitnehmen wollen.
Manchmal hatte Victoria sich gefragt, warum sie nicht einfach mit ihm mitgegangen war.
Vielleicht wäre ihr dann so einiges erspart geblieben?
Doch sie durfte nicht undankbar sein.
Schweigsam folgte Victoria ihrer Tochter und John in das Wohnzimmer.
Sie bemerkte, dass John ein wenig humpelte und nachdenklich ließ sie ihren Blick schweifen.
Joana saß bereits mit dem kleinen Mädchen auf der Couch und war dabei Tee aufzugießen.
Als sie Victoria erblickte ließ sie beinahe die Kanne fallen und fragend schaute sie zu John. Beide kommunizierten via
Blicke miteinander. Victoria jedoch ließ sich nichts anmerken und setzte sich auf ein Sofa.
Sie strich über die Armlehne und schaute sich in dem Raum um. Es hatte sich nicht viel geändert. Joana war aufgestanden und
hatte noch ein Gedeck geholt. Behutsam stellte sie es auf den Tisch und warf Victoria einen prüfenden Blick zu.
Dann setzte sie sich wieder auf das Sofa. Victoria jedoch ignorierte sie. Ihr Blick wanderte zu John, der Jill ein Buch gab.
Sie konnte erkennen, dass es sich dabei um Zaubertränke handelte. Sie hatte das Fach immer langweilig gefunden.
Ein Fehler und du könntest jemanden vergiften oder in die Luft jagen!
Manchmal war das ja ganz verlockend, dennoch fand sie es schwachsinnig.
Leider war es jedoch ein Pflichtfach gewesen. Also hatte sie mit John in den Ferien gelernt bis tief in die Nacht,
damit sie die Prüfungen bestand. Sie hatte ihn damals dafür bewundert,
dass er so viel wusste und ihm alles so leicht zu fallen schien. Zurück in Hogwarts musste sie alleine lernen.
Mit Hilfe von Briefen hatte John ihr ihre Fragen beantwortet und ihr Mut gemacht.
Damals war sie die einzige in Hogwarts gewesen, die schon verlobt war.
Einige hatten schlimme Gerüchte in die Welt gesetzt und ihr das Leben so ein bisschen schwerer gemacht.
Doch Victoria hatte darüber gestanden und sich sogar manchmal über die Fantasie mancher Leute amüsiert.
Ihre Freundinnen standen steht‘s hinter ihr und konnten einige Gerüchte schon im Keim ersticken.
Kurz vor dem Abschluss hatte sie ihrem Vater einen Brief geschrieben und ihn gebeten auch zu ihrem Abschluss zu kommen.
John hatte ihr zu diesem Anlass ein hübsches Kleid gekauft und war ebenfalls gekommen.
Sogar ihr Vater hatte sich überreden lassen. Seit dem war das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Vater wieder besser.
Dann, drei Monate später, hatten sie geheiratet und Victoria war überglücklich, dass ihr Vater sie zum Altar geführt hatte.
Es war der schönste Tag in ihrem Leben gewesen. Doch vielleicht war das Ganze doch überstürzt gewesen?
Sie war noch jung und naiv gewesen. Sie hatte gedacht, dass es für immer so harmonisch sein würde.
Doch der Alltag hatte beide schnell eingeholt.

Plötzlich standen Jill und Sydney auf. Jill drückte ihr einen Kuss auf die Wange und rannte dann mit dem Mädchen nach draußen.
„Keine Angst, Sydney wird sie nicht entführen“ kommentierte John gehässig, als Victoria Jill lange hinterher schaute.
Er stand dann auf. Victoria schaute ihn wütend an und musterte ihn. Man sah ihm an, dass es ihm nicht gut ging.
Ihr fiel auf, dass er Kratzer im Gesicht hatte. Wo hatte er sich denn schon wieder rumgetrieben?
Immer wenn John damals krank gewesen war, war es die Zeit gewesen in der sie sich am meisten gestritten hatten.
John war immer gereizt gewesen, weil er sich gelangweilt hatte. Er hasste Ärzte wie die Pest und wenn sie ihn nicht
immer persönlich zu den Terminen geschleppt hätte, hätte er sich vor jedem einzelnen gedrückt.
„Kannst du bitte wieder gehen?“ John schaute sie ernst an.
„Ich denke gar nicht daran“ erwiderte sie und verschränkte die Arme. Gequält fasste John sich an den Kopf und atmete durch.
Diese Frau machte ihn Wahnsinnig. Schon damals als er sie kennen gelernt hatte, hatte sie ihn wahnsinnig gemacht,
doch auf eine andere Art und Weise. Jetzt hatte er Mordgedanken, wenn er sie sah.
Er verstand nicht, warum sie Jill nicht alleine ließ. Sie war schließlich alt genug und er war
auch noch da und würde zusehen, dass ihr nichts passierte. „Glaubst du wirklich ich passe nicht auf sie auf?“ fragte John.
Joana stand auf. Das war ihr Zeichen zu gehen. Schnurstracks verließ sie den Raum und ließ John und Victoria allein.
Schon damals war sie bei Streitereien geflüchtet, da wollte sie jetzt keine Ausnahme machen.
„Nein, ich-“ „Oder hast du Angst sie würde die ganze Story aus meiner Sicht erfahren?“ Nun lachte Victoria auf.
Das war lächerlich „Aus deiner Opfer perspektive? Ich bitte dich“ Victoria schüttelte den Kopf.
„Dann verstehe ich nicht warum du nicht einfach verschwin-“ John hielt inne und ihm schien etwas einzufallen.
„Ooh ich verstehe“ begann er und lachte leise. Victorias Gesicht verdunkelte sich und wütend schaute sie ihn an.
„Du hast Angst, dass ich das Gleiche mache wie du damals“ sagte John. „Da hätte ich auch früher drauf kommen können“
Er schien mit sich selber zu reden, während er durch den Raum lief und zu einem Schrank ging. Er öffnete eine Schublade und
kam mit einer Packung Schmerztabletten wieder. „Du hast Angst, dass ich mit Jill nicht wiederkomme,
wenn ich mit ihr in den Urlaub fahre“ sagte er und drückte drei Tabletten aus der Packung.
„Du hast Angst, dass ich sie wegbringe, wenn sie mal einen Tag alleine bei mir ist…“
„Willst du etwa alle drei auf einmal nehmen?“ fragte Victoria skeptisch. John antwortete nicht, sondern goss sich ein Glas Wasser ein.
„Es muss doch beschissen sein, wenn Jill in Hogwarts ist, oder?“ Victoria ging nicht auf Johns Gerede ein.
„Wurdest du wieder angegriffen?“ fragte sie und ging auf ihn zu. „Das geht dich nichts an“ fuhr er sie an und
wollte die drei Tabletten schlucken, doch Victoria schlug sie ihm aus der Hand. Empört schaute er sie an.
Die Pillen landeten auf dem Boden. „Sag mal, geht’s dir noch gut?“ Genervt hob er sie wieder auf.
„Das ist ungesund“ sagte sie und schüttelte den Kopf. John verdrehte die Augen und setzte sich wieder auf das Sofa.
Dennoch schluckte er die drei Tabletten und spülte sie mit Wasser hinunter.
„Verschwinde doch einfach“ murmelte er genervt und schloss kurz die Augen.
Victoria ging zu ihrer Handtasche und schien etwas darin zu suchen. Auf seine Bitte ging sie kein Stück ein.
„Warst du beim Arzt, oder hast du dir den Gips selber gemacht?“ fragte sie frei heraus und schaute ihn kurz an.
John beobachtete sie dabei. „Ich war beim Arzt“ sagte er dann und zuckte mit den Schultern. Victoria hielt inne und
ließ die Hände sinken. „Was war es denn? Was hat er gesagt?“ fragte sie dann und zog die Augenbrauen zusammen.
Hatte Joana ihn in die Praxis gebracht, oder war er schon so mutig und war alleine gegangen?
John atmete durch und schaute sie eine Weile an. „Was hätte ich einem Muggelarzt sagen sollen?
Ein Jagdhund hat mich angegriffen, als ich als Fuchs durch den Wald gelaufen bin?“ fragte er rhetorisch und schüttelte
über Victoria den Kopf. Genervt verdrehte diese die Augen und nahm ihre Handtasche.
„Ich werde jetzt gehen“ verkündete sie und schaute kurz aus dem Fenster. „Gute Besserung“ sagte sie gezwungen und
wandte sich um. „Na endlich, ich dachte du würdest nie gehen“ sagte John erleichtert und stand wieder auf.
Er schien sichtlich froh zu sein. „Wann stehst du wieder auf meiner Matte? In drei Stunden?“
Victoria verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Ich hole Jill morgen Abend ab“
John hob eine Augenbraue. „Dann muss ich mich beeilen und die Flüge buchen“ sagte er und schaute sie herausfordernd an.
„Du bist kindisch“ warf Victoria ihm vor und drehte sich um. John lachte leise, folgte ihr dann jedoch noch bis zur Tür.
„Bis morgen Abend“ sagte Victoria und öffnete die Tür. „Wenn Jill und ich dann noch da sind“
Wütend drehte sie sich wieder zu John um, doch dieser schloss wortlos die Tür.
Victoria war sichtlich unzufrieden und am liebsten würde sie Jill wieder mitnehmen.
Seufzend wandte sie sich um und disappierte.