RE: Herrenhaus der O'Neills - 3

Ivy überlegte einen Moment, dann zuckte sie mit den Schultern.
,,Nein, nicht, dass ich wüsste. Ich hatte nur viel Spaß und war am Ende des Tages müde.
Aber sonst..''
Ivy nahm eine Scheibe Brot aus dem Korb und legte diese auf ihren Teller.
"Sag Ivy, bist du noch Schülerin?"
Diese Frage traf sie hart. Unbeabsichtigt bildeten sich Tränen in ihren Augenwinkeln,
doch so schnell wie diese kamen, gingen sie auch wieder.
Sollte sie jetzt die Wahrheit sagen, oder sich eine Notlüge ausdenken?
Nein, lügen kam gar nicht in Frage. Es wäre nicht fair ihre Gastfreundschaft auszunutzen
und sie unbehelligt in Gefahr zu bringen. Ivy schluckte hart, ehe sie antwortete.
,,Naja, eigentlich ja schon. Aber, das ist etwas kompliziert. Kurz gesagt: Ich spiele.
Ich spiele ein Spiel mit Kageyasu. Ich bin auf der Flucht und wenn ich das ganze hier überlebe,
dann habe ich das Spiel gewonnen und kann wieder nach Hogwarts. Wenn nicht, dann bin ich tot.''
Ivy's Blick war während ihrer Erklärung starr auf ihren Teller gerichtet gewesen.
Nun schaute sie bedrückt auf und blickte John entgegen. Würden sie sie jetzt fort schicken?
Jetzt, da sie die Wahrheit wissen?

Joana wollte etwas sagen, doch John hob die Hand, damit sie schwieg.
"Was für ein Spiel?" fragte er interessiert.
Das sah dem Weißen Engel ja ähnlich. Spielte erst mit seiner Beute bevor er es tötete.
dachte Joana und verschränkte die Arme.

Ivy atmete einmal tief aus. John schien sich dafür zu interessieren.
Zumindest würde er sie nicht sofort hinauswerfen.
Ivy überlegte erst, wie sie das am Besten erklären könnte, ohne nicht wirklich alles zu erzählen.
Sie schloss kurz die Augen, um sich alles ins Gedächnis zurückzurufen.
Dann begann sie zu erzählen.
,,Naja, also Tristan und ich wollten zusammen mit Selene, der Anführerin der Rebellen, Kageyasu angreifen.
Doch irgendwie ist etwas bei Tristans Ablenkungspart schief gelaufen und Kageyasu wusste über alles bescheid.
Jedenfalls hatten dann Kageyasu und ich ein sehr interessantes Gespräch. Ich kritisierte seine neuen Schulregeln,
welche Schläge als Bestrafung zur Vorschrift machen und er machte mir einen Vorschlag.
Er wollte mir ein Rätsel geben und wenn ich es schaffe dieses in 5 Minuten zu lösen, dann wird diese Schulregel abgeschafft,
wenn nicht, dann stehe ich auf der schwarzen Liste und werde vom Ministerium gesucht.
Nun in meiner Naivität bin ich natürlich auf diesen Deal eingegangen. Leider habe ich es nicht in der Zeit lösen können..
Obwohl es so einfach war..''
Ivy biss sich auf ihre Unterlippe und unterdrückte die aufwallenden Tränen und den Schmerz.
Wieso nur Sven..? Wieso tut Kageyasu mir das an..?

"Okay, Sydney ab ins Bett" Joana stand auf und ging mit der protestierenden Sydney zurück in das Anwesen.
John beachtete sie nicht weiter, sondern hörte Ivy gut zu. "Ein Rätsel? In 5 Minuten?
Wie sah es aus?" fragte er.
Kageyasu konnte doch keine Kinder umbringen. Das war doch nicht sein ernst.
"Ivy, du bist hier in Sicherheit und du kannst so lange hier bleiben wie du möchtest.
Du kannst jeder Zeit gehen"

[Bye =)]

[Tschüss]

Ivy nahm einen Schluck von dem Tee und schaute John entgegen, ehe sie antwortete.
,,Es war ein Buchstabenrätsel. In die richtige Reihenfolge gebracht ergab es einen Namen.
Der Name meines Freundes. Ich hab alle möglichen Kombinationen versucht, aber für das Offensichtliche war ich blind.
Ich glaub, das hat er bei Tristan auch gemacht. Er wurde nach Azkaban gebracht
und weilt bestimmt schon nicht mehr unter den Lebenden. Zudem denke ich nicht, dass wir beide die Einzigen sind,
mit denen er das macht. Wahrscheinlich spielt Kageyasu mit meinen Freunden ein ähnliches Spiel..''
Ivy brach ab. Zu sehr quälte sie der Gedanke an ihre Freunde, die womöglich ähnliches durchzustehen hätten.
Schnell zog sie ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche, wischte sich ihre Tränen fort und putzte sich die Nase.
"Ivy, du bist hier in Sicherheit und du kannst so lange hier bleiben wie du möchtest.
Du kannst jeder Zeit gehen"
Dankbaren Blickes schaute sie John an.
,,Danke, das ist wirklich lieb von Ihnen, aber wie lange werde ich hier sicher sein? Kageyasu weiß alles.
Er wusste, dass ich bei meiner Cousine wohne und deren Wohnung ist versteckt in einem Berg.
Ich möchte nicht die Sicherheit von Ihnen allen mit meiner Anwesenheit gefährden.'' sprach sie mit brüchiger Stimme.
Diese Situation zerriss ihr das Herz. Einerseits musste sie egoistisch sein und ihr Leben retten,
andererseits konnte sie doch nicht für den möglichen Tod von Sydney bürgen.
Momentan war dieses Anwesen aber viel schutzbringender als jede Ruine oder Höhle.
Man konnte nur hoffen, dass sich Kageyasu's Männer mit ihrer Suche Zeit lassen würden.

"Ich denke nicht, dass Kageyasu Kinder bzw Jugendliche umbringen wird.
Das wäre ein zu großer Verlust" sagte John und lehnte sich zurück.
So Kageyasu spielte also ein Spiel. Wozu? Nur die Schlauen durften überleben?
Das war unlogisch, weil Ivy ein kluges Mädchen war.
"Wie ist Hogwarts im Moment?" fragte er weiter. "Abgesehen von der Regeländerung?
Wie sind die Lehrer? Ist... Professor Marley noch an der Schule?"

Ivy nahm einen weiteren Schluck von ihrem Tee und schaute bedrückt zum Himmel empor.
Dieser verfärbte sich schon in den verschiedensten Rottönen. Bald würde die Dämmerung einsetzen.
"Ich denke nicht, dass Kageyasu Kinder bzw Jugendliche umbringen wird.
Das wäre ein zu großer Verlust"
Ivy schüttelte leicht den Kopf.
,,Nein, darüber hat mich Kageyasu auch informiert. Er selbst tötet keine Schüler, aber seine Soldaten tuen es.
Zudem bin ich seiner Meinung nach kein Kind mehr. Mich würde er ohne mit der Wimper zu zucken töten.''
"Ich töte keine Kinder, aber meine Soldaten tun es. Außerdem bist du kein Kind mehr für mich hihi."
Und da waren sie wieder. Kageyasu's Worte. Die, die sie die ganze Zeit schon quälten.
Die, die sie nachts nicht schlafen lassen können. Ivy schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Angesträngt versuchte sie Kageyasu's Worte beiseite zu schieben, schaffte es aber nur suboptimal.
John's Fragen rissen sie aus ihren Gedanken und dafür war sie indirekt sogar dankbar.
Sie öffnete ihre Augen und blinzelte einen Moment geblendet, ehe sie antwortete.
,,Naja, das ist unterschiedlich. Einigen Lehrern fällt es sehr leicht, die Schüler zu bestrafen.
Wie zum Beispiel Professor Bailey. Anderen Lehrern, wie zum Beispiel Miss Chrame oder Baker,
würden diese Regelung am liebsten ignorieren. Aber da Kageyasu sie im Unterricht besuchen kam,
mussten sie diese leider auch einhalten. An sich ist Hogwarts kein schöner Ort mehr. Man muss ständig Angst haben,
von irgendwelchen Spinnern zusammen geschlagen zu werden, nur weil man mit einem Nicht-Menschen befreundet ist.
Hogwarts gleicht immer mehr einer Militärschule. Kegeyasu-Gehirnwäsche inclusive.
Einige Lehrer unterrichten nicht mehr. Professor Marley gehört zu denen.''
Ivy senkte ihren Blick. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, schlechte Nachrichten zu verkünden,
auch wenn sie nicht der Ursprung des Übels war.

John nickte. Jennifer war also nicht mehr in Hogwarts.
Wahrscheinlich war sie in einem anderen Land, wo sie in Sicherheit war.
War sie denn in Sicherheit?
John nahm seine Tasse Tee in die Hand und trank einen Schluck.
"Meinst du, Kageyasu würde dir noch eine Chance geben?"

Ivy überlegte eine Weile. Mit dieser Frage hatte sie sich noch gar nicht beschäftigt.
Würde er mir eine zweite Chance geben? Gute Frage..
,,Hm. Ich weiß nicht. Vielleicht, wenn ich überlebe.
Wenn ich genügend seiner Soldaten außer Gefecht setze oder noch ein anderes Rätsel löse.
Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, wie 'liebevoll' er mit seinem 'Spielzeug' umgeht.
Vielleicht bin ich aus seiner Sicht schon wieder zu langweilig geworden und er würde mich durch einen Fingerzeig töten,
auch wenn ich theoretisch die Flucht überlebt hätte.''
Sie seufzte leise. Diese Situation war zum Mäuse melken.
Viele unbekannte Faktoren in einer großen Gleichung die nur auf zwei mögliche Ergebnisse hinauslief.
Leben oder Tod.

John betrachtete Ivy eine Weile und stand dann schließlich auf.
Er ging zur Treassentür und wollte hinein gehen. Kurz vorher drehte er sich nocheinmal zu Ivy um.
"Lass das ganze ruhig stehen." meinte er und schaute kurz zum Horizont.
"Schlaf gut" meinte er dann und verschwand im Anwesen.

Ivy nickte und schaute John kurz nach, als dieser im Anwesen verschwand.
Betrübten Blickes sah sie dann zum Himmel empor.
Die Nacht hatte sich wie ein bleiernder Mantel über sie gelegt, doch wie so oft schien diese so trügerisch friedlich.
Noch eine Weile saß sie am Tisch und betrachtete die Sterne. Wünschte sich an einen anderen Ort, in eine andere Welt.
Wo alles friedlich war und kein Kageyasu herrschte. Eine Welt, die leider nur in Büchern existierte.
Ein kalter Windhauch zog über's Land und Ivy begann zu frösteln.
Wohl bedacht, so leise wie möglich zu sein, räumte sie das Geschirr zusammen.
Zuerst hatte sie vor gehabt, es in die Küche zu tragen, doch bei ihrem Glück würde sie sich eher im Anwesen verlaufen,
als den richtigen Raum zu finden. Somit lies sie das Geschirr so stehen und begab sich in ihr Zimmer.
Der Ausblick aus dem Fenster war wirklich atemberaubend.
Fasziniert und völlig von der Schönheit der Küste eingenommen stand Ivy noch einen Moment reglos da,
ehe sie sich ins Bett kuschelte. Wie weich doch eine Matratze sein kann.. war ihr letzter Gedanke.
Dann begab sie sich ins Reich der Träume und schlief tief und fest ein.

nachdem Ivy in ihrem Zimmer verschwunden war, verließ John sein eigenes und
ging hinunter zur Terasse. Seine vier Hunde saßen neben einander da und schauten ihn an.
Beobachteten ihn. "Na kommt bedient euch" meinte John und in nullkomma nichts saßen vier Junge Männer am Tisch.
"Seit leise und räumt dann alles weg"
"Hey, Hey John!" der kleinere von allen hielt ihn am Arm fest. "Wer war die kleine?"
"Niemand der dich interessiert" antwortete John und befreite sich mit einem Ruck von dem Griff los.
Er wandte sich dann ab und ließ die 4 Herren allein.
Müde stieg er die Treppen hinauf und verschwand wieder in seinem Schlafzimmer.

Die Sonne war schon längt aufgegangen, als Ivy aufwachte.
Sie konnte sich nicht mehr erinnern, so gut geschlafen zu haben.
Traumlos, aber dafür ohne belastende Gedanken. Etwas verträumt schwang sie sich aus dem Bett
und zuerst wusste sie gar nicht, wo sie sich befand. Doch dann glitt ihr Blick hinaus
und auf einmal kamen ihr die Erinnerung an den gestrigen Tag wieder ins Gedächnis.
Der heutige Tag begann genauso wolkenlos, wie er gestern geendet hatte.
Schnell machte sich Ivy im Bad frisch und begab sich dann auf die Suche nach John oder Joana.
Wer weiß, wie lange sie geschlafen hatte.

Auf der Suche nach John oder Joana kam Ivy an vielen Gemälden vorbei und an vielen Türen.
Manche waren verschlossen, andere konnte sie öffnen.
Die Morgensonne tauchte alles in einen Goldenen Glanz und wärmte die Pflanzen die in an den
Wänden standen, die dunklen Möbel und letzlich auch Ivy.
Wie eine kleine Hoffung strich die Wärme sanft über ihre Wangen.
Es schien, als wäre nur sie hier im Herrenhaus. Als wäre nie zuvor jemand hier gewesen.

[Wohaaaaa.. *Gänsehaut* Das ist sooooooo schön geschrieben]

Ivy lief von einen Raum in den Nächsten. Arbeitszimmer, Gästezimmer,
Räume, die theoretisch als Tanzsaal hätten benutzt werden können und viele kleine Nebenkammern.
Wirklich, dieses Gebäude glich einem Labyrinth. Von all der Schönheit der Zimmer, die sie umgab, euphorisiert,
erkundete sie das Anwesen. Sie fühlte sich wie in einem Traum. In einer völlig anderen, friedlichen Welt.
Eine Welt, die viel zu schön scheint, um wahr zu sein.
Die Morgensonne wärmte ihre Glieder und tauchte jeden Raum in angenehmes Licht. Es lies jedes Bild, jede Lampe,
jede Verzierung, erstrahlen. So muss wohl der Spiegelsaal in Versailles aussehen dachte sie verträumt
und blieb an einem großem Fenster stehen. Ausgeglichen und wie von allen Sorgen befreit stand sie nun da
und schaute auf die Küste hinaus. In diesem Moment fühlte sie sich so sicher und geborgen,
wie sie sich einst auch in der Wohnung von May gefühlt hatte.