RE: Küste Irlands - 5

Mit einem gekonnten Satz sprang das Tier über das Gebüsch und wandte sich wieder um.
Schnuppernd hielt das Tier die Nase in die Luft und lief dann weiter in den Wald hinein.

Herrenhaus O'Neill

Ivy beobachtete den Fuchs mit hochgezogener Augenbraue.
Was sollte das jetzt werden?
Kurz schaute sie sich noch einmal um, folgte dann jedoch dem Tier.
Der Wald wäre jetzt sowieso ihre erste Wahl gewesen, Unterschlupf zu suchen.

Seymour stand an der Küste Irlands und der Regen peitschte ihm ins Gesicht.
Er stand schon seit einer guten Ewigkeit hier und rührte sich nicht.
Wirkte wie versteinert, doch eigentlich genoss er nur die Ruhe und das Rauschen der Wellen,
welche gegen die Klippen preschten. Mayleen war gestern wutentbrannt nach Hause gekommen,
doch nachgefragt hatte er nicht. Sie war in dieser Hinsicht immer etwas eigen gewesen.
Wenn sie sauer war, wollte sie nicht gestört werden und schloss sich in die Bibliothek ein.
Was sie dort macht, weiß niemand. Doch wenn sie wieder herauskommt ist sie gut gelaunt wie eh und je.
Nur leider hielt sich May immernoch verbarrikadiert und so hatte sich Seymour nach draußen begeben.
Egal, wie das Wetter war. Der Regen war ihm sogar recht lieb, denn bei diesem Sturm läuft kein Muggel
ohne triftigen Grund die Küste entland. Also war er ungestört und konnte seinen Gedanken nachgehen.
Nachdenklich lies er seinen Blick über die See schweifen und einige Male erhellten Blitze den sonst so dunklen Tag.
Die Blitze tanzten wie zuckende Männchen auf dem Wasser und die Gischt bildete weiße Schaumkronen auf den Wellen.
Wie oft er doch schon hier gestanden und der Natur bei solch einem Schauspiel beigewohnt hatte.
Doch heute war es anders als zuvor. Die Wellen türmten sich meterweit auf, sodass sie riesigen Wassermonstern glichen.
Das Meer schien verärgert, als wollte es zeigen, dass die Menschheit einen Fehler beginge.
Doch wer würde schon auf das Meer, auf die Natur, hören? Kageyasu bestimmt nicht.
Seufzend und mit der momentanen Situation unzufrieden setzte sich Seymour hin und beobachtete weiter das Treiben auf der See.

Seymour war nicht der einzige, der sich an der Küste aufhielt.
Linda lief über das nasse Gras, eingehüllt in ihrem designer Mantel. Ihre Kapuzue ragte tief in ihr Gesicht
und den Blick hielt sie gesenkt. Sie hatte nicht gerade passendes Schuhwerk an und auch ihre
Klamotten ließen bei diesem Wetter zu wünschen übrig.
In hohen Schuhen versuchte sie über das nasse Gras zu gehen und ihr schwarzes Cocktailkleid
klebte bereits an ihrem Körper, da der Mantel nur in der Mitte zwei Knöpfe hatte und
sonst offen war. Sie fror, doch musste sie ihren weg fortsetzen.
Kurz bevor sie bei Seymour war verlor sie, aufgrund einer Windböe das Gleichgewicht.
"Huch" entwich es ihr, während sie kurz zur Seite schwankte. Dabei schaute sie auf und
entdeckte Seymour wie er da saß und die See beobachtete.
Sie stützte sich am Boden ab und erhob sich dann wieder. "Mieses Wetter, nicht wahr?" sagte sie und schaute lächelnd zu Seymour.

Durch das Rauschen des Windes hörte Seymour kaum, was um ihm geschah.
Es war sowieso unwahrscheinlich heute jemanden hier anzutreffen. Bei dem Sturm.
Außer vielleicht abgesandte des weißen Engels. Erst als Linda neben ihm stand und ansprach, bemerkte er sie.
Verwundert schaute er zu ihr hinauf und musterte sie. Cocktailkleid? Halb offener Mantel? Highheels?
Wieso jemand in solch einer Aufmachung bei diesem Sturm durch die Gegend?
"Mieses Wetter, nicht wahr?"
,,Wie wahr. Und was machen Sie bei solchen Gewitter in dieser Kleidung hier an den Klippen Irlands?''
Diese Frau machte auf Seymour einen leichten durchgeknallten Eindruck.
Wollte sie sich vielleicht erkälten oder war sie vor einer schlechten Verabredung geflohen?

Flinda strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht und schaute hinter sich.
"Flucht?" sagte sie und lachte leise. "Wie schlimm Freunde und Verwandte manchmal sein
können..." sagte sie und ging näher an ihn heran.
"Und was machen Sie hier?"

Gespannt hörte er Linda zu und wandte dann wieder seinen Blick auf die See.
Der nächste Blitz zuckte über ihren Köpfen hinweg und spendete kurzweilig Licht.
Bestätigend nickte er bei dem Wort Verwandte. Ja, schlimme Verwandte kannte er ja nur zu gut.
"Und was machen Sie hier?"
,,Nachdenken. Einfach nur Nachdenken und das Schauspiel genießen.''
Schulterzuckend schaute er wieder zu Linda. Sie schien zu frösteln, versuchte dies aber zu unterdrücken.
,,Ist Ihnen hier draußen nicht kalt?'' fragte er daher direkt.
Wahrscheinlich würde er ihr seinen Regenmantel geben. Der hält warm und ist wasserabweisend.
Alles Eigenschaften, die ihre Jacke anscheinend nicht besaß.

Linda zuckte kurz zusammen, als der Blitz für einen kurzen Moment
den Himmel erleuchtete. Auf die Frage hin, ob sie fröstelte, wank sie nur kurz ab.
"Es geht schon" sagte sie und setzte sich neben ihn.
Lächelnd schaute sie auf die See hinaus und wandte sich dann an Seymour.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemanden hier treffen werde"

"Es geht schon" Fragend schaute er zu ihr hinauf.
,,Sind Sie sich sicher? Sie können meinen Mantel ruhig haben. Mit ist nicht kalt, ich bin das gewohnt.'' meinte er hilfsbereit.
Schweigend schaute er zu Linda, die sich dann neben ihn hinsetzte.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemanden hier treffen werde" Leise lachte Seymour auf, ehe er antwortete.
,,Ich hätte ich auch nicht gedacht jemanden hier anzutreffen. Erst recht nicht bei diesem W-.''
Doch ehe er den Satz beenden konnte, krachte ein Blitz nicht weit von ihnen entfernt in den Boden.
Kaum eine Sekunde danach setzte dann auch schon der Donner ein und erschütterte den Untergrund.
Das Gewitter war nun weniger als einen Kilometer von ihnen entfernt.
Während des Blitzeinschlags blies Seymour total ruhig und entspannt. Blitze machten ihm nichts aus.
Er spürte weder Furcht noch Bedrohung. Die Blitze faszinierten ihn, schon zu Kindeszeiten.

Erstaunt betrachtete Linda den Blitz, doch sie musste unwillkürlich die Augen zusammen
kneifen. "Schon ein wenig unheimlich" sagte sie und betrachtete die Stelle in der der Blitz eingeschlagen war. Lächelnd schaute sie dann wieder zu Seymour.
"Ich bin übringens Linda Fletcher, falls es dich interessiert" sie lachte leise auf
und wandte dann den Blick wieder ab.

Leicht schmunzelte Seymour bei diesem Satz. Jede andere Frau hätte jetzt wahrscheinlich das Weite gesucht.
Aber Linda fand Blitze anscheinend auch interessant, zumindest nicht ganz so furchteinflößend,
wie andere Frauen. "Ich bin übringens Linda Fletcher, falls es dich interessiert"
Oh Mist, meine Etikette lassen ganz schön zu wünschen nach..
,,Ist mir eine Freude sie kennen zu lernen, Mrs. Fletcher. Ich bin Saymour Conmara.
Auf eine unterhaltsame Konversation.'' meinte er und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
Auch er wandte sich dann wieder dem Schauspiel auf dem Meer zu.
Die Wellen türmten sich auf und zerbrachen dann wieder. Wie ein ewiges Spiel zwischen Aufbäumen und Abrollen.

Linda schaute ihn lächelnd an. "Auf eine unterhaltsame Konversation" sagte sie
und wandte ihren Blick wieder zu See. Sie beobachtete den Himmel und wie das Meer und der
Himmel am Horizont ineinander verschmelzten.
Am liebsten würde sie das Bild einfrieren. Kalt und stürmisch. So wie die gesamt Verwandt- und Bekanntschaft ihrer
Familie. "Ich hoffe Sie haben keinen schlechten Eindruck von mir, weil ich in so kurzen Kleidern
hier herumlaufe" sagte sie und lächelte entschuldigend. "Ich weiß, dass der erste Eindruck zählt, und den habe
ich wahrscheinlich jetzt gründlich vermasselt"

Seymour legte seinen Kopf in den Nacken und so rutschte ihm die Karputze vom Gesicht.
Die Wassertropfen fielen prasselnd auf seine Haut. Kalt und nass. Auf Lindas Bemerkung hin wank Seymour nur ab.
,,Ach was. Wenn jedes Mal der erste Eindruck zählen würde, dann hätte mich meine Frau nie geheiratet.''
Unbewusst spielte er an seinem Ehering herum und gedachte an Mayleen. Ob sie sich schon wieder beruhigt hatte?
,,Darauf darf man sich nicht verlassen. Der schlimmste Kriminelle kann auf den ersten Blick wie ein unschuldiges Lamm aussehen.
Erst mit der Zeit lernt man einen Menschen und seinen Charakter richtig kennen.'' fuhr er dann fort.
Obwohl mann einige Persönlichkeiten schon recht schnell gut einschätzen kann..

Linda zuckte mit den Schultern, doch sie sah es ein und nickte.
Er hatte wohl recht. "Bei uns zählt meist der erste Eindruck. Er entscheidet, ob mit dir geredet
wird oder ob du ignoriert wirst" erklärte sie.

Ungläubig schaute er zu Linda. Ihre Familie schien noch schlimmer zu sein als seine.
,,Und wie läuft das denn ab? Wenn man nicht die Designerklamotten trägt, wird man gleich ignoriert?
Oder wird das erst danach entschieden, nachdem man den Mund aufgemacht hat?'' fragte er interessiert, doch leicht zynisch.
Solche Familien müssen wirklich schrecklich sein und wahrscheinlich leidet nicht nur Linda darunter.
Wenn sie denn überhaupt eine große Familie hat.