RE: Haus von Joyce - 9

Eine weisse Schleiereule sass am Fenstersims und blickte hinein.
Um ihren Hals trug sie ein selbstgemachtes Eulenhalsband mit einem Slytherinwappen.
Die Buchstaben C.W waren weiss von Hand geschrieben worden.
Die Eule hielt einen alten Briefumschlag im Schnabel, abgenutzt und verfallen wirkte er.
Durch Stürme und Gezeiten hatte das Papier gelitten, doch es war heil geblieben.
Die Eule hatte sich um die Jahre verflogen und durch die ganzen Kriege die Flucht in der Wildnis gesucht.
Joyce musste lange warten, doch jetzt war die Eule endlich am Ziel angekommen! Sie hatte ihre Pflicht nicht vergessen.

Brief:

[Boah Andrea! Das ist unglaublich =* Mir fehlen die Worte =)]

Es war schon später Abend, als Joyce von der Arbeit im Restaurant nach Hause kam.
Geschafft zog sie sich die Schuhe aus und lauschte der Stille im Haus.
Doch so ganz ruhig wie sonst war es nicht, denn sie konnte das flattern eines Vogels vernehmen.
Joyce stutzte und zog sich schnell ihre Hausschuhe an. Suchend lief sie erst ins Wohnzimmer und
fand die Schleiereule schließlich in der Küche. Sie lächelte im ersten Moment, doch ihre Gesichtszüge
entglitten, als sie erkannte welche Schleiereule auf ihrem Fenstersims saß.
Joyce trat an das Fenster, welches sie immer einen Spalt offen hielt, damit die armen Eulen
nicht so lange in der kälte warten mussten. Joyces Herz schlug ihr bis zum Hals, als das Eulenband
ihre Vorahnung bestätigte. Ein Lebenszeichen von Céline? War sie etwa gar nicht... Joyce wagte nicht
weiter zu denken und nahm der Eule dankend den Brief aus dem Schnabel.
Danach holte sie eine Dose von der Küchenanrichte und legte eine Handvoll Eulenkekse neben sie.
Dann betrachtete sie den Briefumschlag und schüttelte leicht den Kopf.
Vorsichtig öffnete sie ihn, aus Angst ihn zu zerreißen. Kurz warf sie einen prüfenden Blick durch die Wohnung,
dann setzte sie sich an ihren Esstisch und begann mit zitternden Händen und klopfendem Herz zu lesen.
Ihre Augen ruhten auf den Zeilen und dann verweilte sie nachdenklich an dem Datum.
Der Brief war eindeutig nicht von gestern und das hatte sie schon beim lesen bemerkt. Im Brief fielen Namen,
mit denen Joyce schon Jahre nichts mehr zu tun hatte. "01.10.2009" flüsterte Joyce und versetzte sich zurück
in die Vergangenheit. Céline hatte den Brief sieben Tage, bevor sie ermordet wurde, verfasst.
Damals war sie, Joyce, Lehrerin in Hogwarts und Mai-Lin hatten sie aufgrund der Unsicherheiten nach
Frankreich zu Raphael und Eleanor geschickt. Damals war auch Kiyan wie aus dem nichts aufgetaucht.
Mit diesen Informationen im Hintergrund las Joyce den Brief erneut.
Dieser Brief warf in Joyce fragen über fragen auf. Fragen auf die sie damals eine Antwort hätte bekommen können.
Hatte Céline gezweifelt? Hätte Joyce sie überredet für ihre Liebe zu kämpfen?
Was wäre alles anders geworden, hätte sie den Brief am 01.10.2009 oder einen Tag später bekommen?
Vor kurzem waren wir beide noch in Hogwarts... Joyce musste auflachen, doch Céline hatte recht.
Damals waren sie dumm und hatten keine Ahnung was alles auf sie zukommen würde.
Plötzlich standen sie da und mussten vernünftig und erwachsen handeln, weil kein Professor da war,
der ihnen helfen konnte. Nachdenklich las Joyce den Brief noch einmal durch und stutzte wieder.
Céline hatte anscheinend gezweifelt. Aufgrund der Liebe? Darauf wusste Joyce keine Antwort.
Aber sie schien auch gemerkt zu haben, dass etwas passieren würde.
Jetzt schaute Joyce wütend zu der Eule. Hätte sie sich nicht verflogen, wäre alles anders gewesen.
Plötzlich fühlte Joyce sich unglaublich schlecht. Sie hatte nichts bemerkt und war nicht für
Céline dagewesen. Sie hätten miteinander reden sollen und sicher hatte Céline eine Freundin
gebraucht, der sie alles über ihre Sorgen erzählen konnte.
Die Gedanken in Joyces Kopf fuhren Achterbahn und sie wusste jetzt schon, dass sie kein Auge zutun würde.
Einen Moment überlegte Joyce ihr spontan zu antworten, doch das war so absurd, dass es schon wieder richtig war.
Einer Toten antworten? Nach so vielen Jahren?
Oder sollte sie jemandem den Brief zeigen? Aber wem? Riley? Amy? Aber sie wollte ihnen auch keine
falschen Hoffnungen machen. Seufzend lehnte Joyce sich zurück und betrachtete wieder.
Was hätte sie damals getan? Damals wäre sie mit dem Brief sofort zu Céline gegangen.
Doch jetzt war sie nicht da. "Komm Joyce, sei einmal in deinem Leben wieder verrückt" murmelte sie, holte
Pergament und Feder und begann eine Antwort für Céline zu verfassen.

[was für ein bewegender moment!
vera das ist eine wundervoll antwort für viele momente die wir wegen célines tot nicht mehr ausspielen konnte :-*
ich danke dir für diesen wundervollen post! du hast mein herz berührt! <3]

Die Eule schüttelte ihre nassen Feder aufrecht und ihr Kopf lugte wachsam über die Küche.
Joyce holte ihr Eulenkekse und die Eule wagte sich hinein.
Müde war sie und die Schleiereule hatte sich in lauf der Jahre äusserlich verändert, alt war sie geworden und von schlechtem Gewissen geplagt, ihre Pflicht vernachlässigt zu haben.
Als Joyce auf einmal Feder und Pergament an sich nahm und tatsächlich eine Antwort verfasste, schüttelte die Eule die Federn erneut und flatterte aufgeregt mit den Flügeln.
Sollte es Zeichen von Protest sein? Oder Jubel?
Es war schwer einzuordnen, wie Tiere sich verständigen, oder ob es vielleicht einfach nur ein Reflex war.
"Ich weiß, du hast einen langen Weg hinter dir."
Die Eule blickte sie mit ihren dunklen Knopfaugen vertraut und gebannt an.
Es war als würde sie auf etwas bestimmtes abwarten, oder bedeutete es etwa, dass sie Joyce ermahnen wollte, dass es keinen Sinn mehr hatte?
Die Eule regte sich nicht.

[=*]

Joyce blintzelte und wusste im ersten Moment nicht, was sie machen sollte.
"Oder brauchst du eine Pause?" fragte sie und schüttelte schmunzelnd den Kopf, als sie merkte,
dass sie mit einer Eule redete. "Komm schon, ich bin schon so verrückt, dann unterstütz du mich
wenigstens dabei" Joyce hielt ihr auffordernd den Brief hin. "Bring den zurück" sagte sie dann.
Zu sagen, bring den zu Céline, traute sie sich irgendwie nicht.

Die glasklaren, pechschwarzen Augen blickten Joyce wachsam und vertraut entgegen.
Eindringlich wirkte der Blick und dennoch klar, als würde die Eule so mit Joyce kommunizieren.
Es waren wieder Minuten vergangen und es schien auf einmal schon hoffnungslos zu sein.
Doch gerade in diesem Moment, wo man die Hoffnung noch am ehesten aufgab, griff die Eule den Brief mit ihrem Schnabel.
Sie flog zum Fenster zurück, wobei die Schleiereule noch einmal zu Joyce zurück blickte.
Würde es wieder Jahre dauern?
Kam die Eule überhaupt einmal wieder zurück?
Und wenn mit einer Antwort?
Die Eule flog mit dem Brief zusammen davon, ins Ungewisse.

Joyce schaute der Schleiereule hinterher und atmete tief durch.
Auch sie wusste nicht, wie lange es dauern würde und ob die Eule ihren
Weg finden würde. Doch sie vertraute ihr und betete, dass der Weg für die
Eule einfacher wird. Mit einem lächeln verschwand Joyce und nahm sich fest vor
bald die WG aufzusuchen.