RE: Teeladen - 2. Etage - 14

Rul deutete auf die unzähligen Sitzgelegenheiten.
"Bitte, setz dich doch", sagte er und trat dann durch das Zimmer zu einer Bar.
Daraus nahm er eine Flasche Wasser und schenkte für sich und Ella ein.
"Mein altes Zimmer ist leider schon lange nicht mehr gebraucht", sagte er.
"Dort müsste man zuerst Feuer machen."
Er trat zu ihr und reichte Ella das Glas.
"Hier."

"Du hast ein Zimmer hier?... Danke" Ella setzte sich auf einen Sessel und nahm das Glas an.
Sie trank einen Herzhaften Schluck.
Dann räusperte sie sich und trank noch einen Schluck.
"Wie heißt dein kleiner Freund eigentlich?"

"Was, hab ich dir seinen Namen noch nie gesagt?"
Rul war erstaunt.
Wirklich unhöflich von ihm.
"Er heisst Cyrill. Das ist sein Lager...hier wohnen die meistgesuchten Leute der Schattenvampire. Früher hab ich hier viel Zeit verbracht."
Rul setzte sich vor sie auf den Boden und trank einen Schluck Wasser.
Dann legte er das Glas ab und nahm ein Büchlein aus seiner weiten Mönchskutte hervor.
"Sonett 18...Soll ich Dich einem Sommertag vergleichen?
Nein, Du bist lieblicher und frischer weit -
Durch Maienblüthen rauhe Winde streichen
Und kurz nur währt des Sommers Herrlichkeit.
Zu feurig oft läßt er sein Auge glühen,
Oft auch verhüllt sich seine goldne Spur,
Und seiner Schönheit Fülle muß verblühen
Im nimmerruh'nden Wechsel der Natur."
Rul las ruhig und sanft vor, blickte dann hie und da kurz zu Ella, um zu sehn, wie sie regierte.
Beim zweiten Vers machte er stopp und reichte Ella das Büchlein.
Sie sollte weiter lesen.

Ella beobachtete ihn und hing an seinen Lippen.
Wie schön er vorlas! Als hätte er die Worte aufgeschrieben.
Sie nahm das Buch an sich und schaute nocheinmal kurz zu Rul.
Dann las sie weiter.
"Nie aber soll Dein ewiger Sommer schwinden,
Die Zeit wird Deiner Schönheit nicht verderblich,
Nie soll des neidischen Todes Blick Dich finden,
Denn fort lebst Du in meinem Lied unsterblich.
So lange Menschen athmen, Augen sehn,
Wirst Du, wie mein Gesang, nicht untergehn."
Auch sie las ruhig vor und senkte, als sie geendet hatte das Buch und schaute ihn an.
Schwiegend betrachtete sie ihn.

Rul lächelte.
Es war schön Ella zuzuhören.
Damals war sie bei ihm im Krankenflügel gewesen, als er ihr von Shakespeare erzählt hatte.
Ella war aufgeblüht, zu einer schönen jungen Frau.
Selbstbewusst, sinnlich und-
"Mein Gott, mein Gott...warum hast du mich verlassen?"
Cyrill hatte die Tür aufgeknallt und trat herein.
Rul zuckte leicht zurück und verdrehte innerlich die Augen.
Gut hatte Ella das Sonnet zuerst fertig gelesen, was für ein Stimmungsverderber!
"Und?"
"Nettes Feuer, gefiel mir gut."
Cyrill lief zu der Bar und kramte seine Brandyflasche hervor, während er zu Ella sah, die auf dem Sessel sass.
"Weist du, wie viel mir Rul schuldet?"

Auch Ella war zusammengezuckt und sie strich sich eine Strähne zurück.
Das tat sie manchmal, damit man nicht so schnell sah, dass sie sich erschrocken hatte.
Sie beobachtete Cyrill, wie er die Brandyflasche herausholte und zuckte dann mit den Schultern.
"Nein aber du wirst es mir sicher gleich sagen, oder?"

"Nur, wenn dus wissen willst", meinte der Zigeuner und er schenkte sich ein Glas voll.
Er trat dann zu ihnen in die Mitte des Raumes.
"Ella...der Name erinnert mich an etwas. War das nicht so ne Sängerin, die so hiess?"
"Cyrill, gibt es mein Zimmer noch?", fragte Rul nun, der Ella das kleine Büchlein behutsam aus der Hand nahm und sich einsteckte.
Er wollte nur ungern, das Cyrill über Shakespeare herzog.
"Klar doch", sagte Cyrill, der sich dann von einigen Abzeichen seiner Uniform befreite.
"Ach, jetzt weiss ichs...Ella Elle l'a...von dieser hübschen Französin, weist du, wen ich meine?"
Rul stand auf.
"Nein", sagte Rul und trat zum Ausgang.
Er sah dabei zu Ella.
"Na von Alizée."
Cyrill setzte sich auf das Bett und blickte zwischen den beiden hin und her.

Ella stand auf und schaute zu Cyrill.
"Das Lied wurde von vielen Sängern gesungen" sagte sie. "Unter anderem von Alizée, Kate Ryan und noch von ein paar"
Sie ging dann auf Rul zu.

Cyrill blickte zu Ella.
"Ein gutes Lied, nicht?"
"Also Cyrill, ich bereite mein Zimmer mal vor", meinte Rul dann.
"So das Ella wo schlafen kann."
"Klar, wenn du sie erfrieren lassen willst, nimm sie mit. Oder lass sie hier, sei ein Gentleman und hol sie erst, wenns warm ist."
Rul blinzelte.
Er schnaubte leicht seufzend, nickte dann aber und sah zu Ella.
"Am besten du wartest doch ein paar Minuten. Cyrill beisst nicht."
"Manchmal schon."

Ella nickte und lächelte leicht.
Sie setzte sich dann zurück auf den Sessel.
"Und wen beisst du für gewöhnlich?" fragte sie und schaute zu Cyrill.

"Freunde", sagte Cyrill und Rul ging hinaus.
"Das heisst, wenn sies wollen.
Rul beispielsweise lässt sich nicht beissen."

"Wieso nicht?" fragte sie und legte den Kopf leicht schief.
"Warum sollte er denn zu einem Vampir werden?"
Er schien doch ganz glücklich zu sein mit seinem Leben und er hatte ihr auch gesagt,
dass er sich niemals beißen lassen würde.

"Weil er alt wird", erklärte Cyrill daraufhin.
"Aber seine Freunde nicht.
Wir sind seine Familie hier, eines Tages wird er sich beissen lassen.
Nur wäre es klüger wenn ers früher tut, jünger ist, fitter."
Cyrill stand dann auf und er lief wieder zur Bar.
"Willst du nur Wasser, oder soll ich dir was anständiges geben?"

"Was ist so schlimm daran alt zu werden? Man ist doch nur so alt wie man sich fühlt"
Ella beobachtete ihn und schüttelte dann den Kopf.
"Nein Wasser reicht, danke"
Sie schaute zu der Tür, wo Rul gerade verschwunden war und dann wieder zu Cyrill.
"Warum will er sich nicht beißen lassen? Hat er Angst davor?"

"Ja, ich denke, es ist die Angst", meinte Cyrill und er schenkte sich mehr Brandy ein.
"Wegen den Auswirkungen, er ist Diabetiker."
Cyrill trank das Glas auf Ex und schenkte sich nach.
Dann blieb er kurz still und wurde leicht nachdenklich.
"Weisst du, Ella Elle l'a...möglicherweise liegt es einfach an seiner ganzen Vergangenheit. Er hat unschöne Sachen erlebt durch Kollegen. Er mag dich, wirklich...mir hat er schon einiges erzählt von der kleinen Elle l'a."