RE: Chile - Glashaus - 6

Josh übernahm nun das Ruder und als erstes musste das Boot mal kehren, wobei es um 180° um die eigene Achse drehte.
Danach war Taro vorne und Josh ruderte los gerade aus.
Taro würde schon meckern, falls er irgendwo Falsches hinruderte.
Während dem er das Boot in Gang setzte, sah sich Josh immer wieder etwas um.
In der weiten Landschaft waren die klaren Berge Chiles zu sehn.
Wie anders das doch war als in seiner Hütte, wo bloss langweiliger Wald drumherum war.

Mit der Zeit konnte Taro sich wieder mehr entspannen und blickte immer noch hinauf in den Himmel.
Es war schön, so ganz ohne Anstrengungen über den See zu schippern und dabei nicht mal etwas sagen zu müssen.
Hin und wieder war es ihm sehr recht, mal etwas Zeit für sich und seine Gedanken zu haben.
Denn dann dauerte es meist auch nicht lang und er war wieder mehr bei sich.
Dennoch ging es ihm einfach nicht aus dem Kopf, was soeben hätte geschehen können.
Aber Josh, der viel betroffener davon sein musste, schien nicht daran zurückzudenken.
Vielleicht musste er sich nur ein Beispiel nehmen.
Ja, ein Beispiel war vielleicht gar nicht so schlecht.
"Bereust du es? Mitgekommen zu sein, meine ich."

Josh ruderte weiter und er sah zu Taro.
Er schüttelte dann den Kopf, bestimmt.
"nein", sagte er.
"Keine Sekunde."
Und das stimmte.
Auch nicht das was vorher geschehn war...
Wäre er jetzt nicht hier, wo wäre er dann?
War es denn nicht so, das er die letzten Monate ganz alleine und einsam gewesen war?
Hier mit Taro zu sein, war für ihn, was zählte.
Lieber nur noch kurz leben, dafür schön, als den Rest seiner Tage alleine und vergessen.
"Ich erzähl dir mal was", sagte Josh, und er fand, dass jetzt gerade ein guter Zeitpunkt dazu war.
"Ich hab mal was schlimmes gemacht. Ich hab meinen Bruder getötet. Er war...ähm...Seiltänzer. naja, ich hab ihn nicht absichtlich getötet, weisst du."
Josh ruderte ruhig weiter und es war auch nicht schliimm darüber zu sprechen.
Die Geschichte war alt und längst verdauen.
Doch er wollte sie Taro erklären, weil er es einfach empfand, einmal zu sagen.
"Das war bei einem Auftritt in einer Abendshow. Es war ein ziemliches Chaos hinter den Kullissen, du weisst ja, wie das ist. Jedenfalls, war irgend etwas los mit einem Seil, das locker war. Man hat es mir geben, um es zu befestigen. Und ich dummer Idiot habe es vergessen. Tja...und so ist er mitten im Auftriff in die Tiefe gestürzt."

Taro's Miene wurde weicher und schien nicht mehr so nachdenklich, als er sagte, dass er keine Sekunde bereute.
Und schließlich hörte er ihm aufmerksam zu und er richtete sich dabei auf.
Bei so einem Thema sich irgendwie rumzulümmeln, fand er wirklich unangebracht und er blickte ihm ernst entgegen.
Das war...unglaublich zu hören.
Wirklich.
Aber Josh schien damit mittlerweile umgehen zu können und das beruhigte schon mal.
Taro fragte sich, wie er sich wohl an seiner Stelle fühlen würde, aber unterließ den Versuch schon gleich am Anfang.
Das war unmöglich. Die beiden waren so von Grund auf verschieden und irgendwie verstanden sie sich doch prächtig.
Der junge Mann wusste nicht wirklich etwas darauf zu sagen.
Nicht, dass es ihn nicht interessierte oder so, aber er war noch nie gut in solch heiklen Themen gewesen.
"Das tut mir leid", sagte er dennoch ehrlich und ihm war es ernst, dass Josh das wusste.
"Wart ihr euch sehr ähnlich? Du und dein Bruder, meine ich."

Josh schüttelte den Kopf.
"nein, er war der draufgängertyp, ich der Loser."
Im nachhinein war das doch alles zum Schmunzeln.
Ja, wirklich zum schmunzeln. Früher nicht, nein.
Doch nun würde er keine Sekunde mit seinem Bruder tauschen wollen, selbst wenn dieser noch lebte.
"Er war der Ältere und eine ziemliche Sensation. Ich bin oftmals eiversüchtig gewesen, aber wir haben uns trotzdem verstanden. Warum auch nicht? Er war schliesslich mein Bruder, er hat mich wirklich gern gehabt."
Taro war sicherlich ein Einzelkind gewesen, wie das wohl sein mochte? Er konnte sich nicht vorstellen, ohne Lars aufgewachsen zu sein, nein. Wäre er dann vielleicht der Seiltänzer geworden? Gott bewahre, mit so einer schiefen nase, die Leute hätten sich geweigert in die Show zu kommen. xD
"Tja, ich bin damals 17 gewesen. nicht 10 oder, 17."
Aufrichtig sah er zu Taro. Ja, er liebte es, ihm in die Augen zu sehn.
Es war ein gutes Gefühl für Seele und Herz.
"Ich hab mir damals eine ziemliche Schuld aufgeladen."

Josh ein Loser?
Taro blinzelte verwirrt und glaubte, sich verhört zu haben.
Es war ihm lang niemand begegnet, der ihm von der Art her so gefiel, wie Josh nunmal war.
Und er war froh, dass er sich im Zirkus gemeldet hatte.
Dennn wäre Josh nicht, wäre er jetzt wahrscheinlich gerade dabei, sich auf die nächste Show vorzubereiten.
Und dann wäre nichts mt Urlaub oder auch nur ein wenig Chile.
Taro konnte gut verstehen, dass Josh sich eine ziemliche Schuld aufgeladen hatte.
Das wäre wohl jedem so gegangen, der tief in sich ein Herz hat, auch wenn es den meisten verborgen bleibt.
Er nickte leicht und atmete aus.
"Aber du scheinst darüber hinwegzusein und das ist gut", sagte er.
Schließlich wandte er sich leicht um, um zu sehen, wie weit es für die beiden noch war.
"Wie ging es danach für dich weiter? Ich meine, hat man dir die Schuld für seinen Tod zugesprochen?"

Josh schüttelte den Kopf.
"nein, ich bin abgehauen", sagte er.
"noch am Selben Abend. Unser Zirkus ist damals so ziemlich an der der Ukrainisch-russischen Grenze gewesen. Irgendwelche Russischen Soldaten haben mich dann mit genommen."
Er sah leicht lächelnd zu Taro.
"Ja, irgendeinmal kommt man mit solchen Dingen hinweg."

Und Taro erwiederte das Lächeln nun aufrichtig.
Er würde es sicher auch noch schaffen, über den Tod seiner Eltern ganz hinwegzukommen.
Dafür war ja noch genug Zeit.
Er war schließlich jung und hatte das ganze Leben noch vor sich.
Ohne dass Josh es vielleicht beabsichtigt hatte, nahm der junge Mann sich nun schon ein weiteres Mal an ihm ein Beispiel.
"Du hast recht, Josh. Du hast recht."
Plötzlich hörte man leise, wie ihm der Magen knurrte und ein Grinsen, das ihm unweigerlich über die Lippen huschte, konnte er sich beim besten Willen nicht verkneifen.
"Sieht so aus, als sollten wir dringend bald wieder ankommen im Haus."

"Aye, jetzt bin ich wiedermal zu langsam gewesen", schmunzelte Josh und er gab etwas mehr gas.
"Fürs Messerwerfen muss man sich immer genug Zeit lassen."
Und tatsächlich, allzu weit war es auch nicht mehr, und Josh überliess Taro das Ruder, wieder in den "Hafen" einzuschiffen.

Taro lachte leicht und nahm dabei die Ruder wieder an sich.
Gleich darauf legte er los, dass sie auch bald ankamen und so war es schließlich auch.
Die beiden kamen in das 'Bootshaus'; Taro band das Boot an das Holzstück, hüpfte als erstes hoch auf den Steig und hielt Josh die Hand entgegen.

Josh nahm seine Hand und er liess sich hochziehn, wobei er den kurzen Moments des engen Aufeinandertreffens sehr genoss!
Schliesslich nahm er den Volleyball heraus und trat dann aus dem Bootshaus.
Ja, jetzt ging es wieder besser.
Es war gut mit Taro zu sprechen, er schien wirklich auf dem Boden zu sein und auch nicht andauernd unsinniges Zeug nachzufragen, wobei man sich tausendmal wiederholen müsste, nein.
Er war eben Taro: nicht nur schön, sondern vielseitig und auf seine Art tiefgründig.

Taro schloss die Klappe wieder und ging dann auch hinaus.
Der junge Mann führte Josh wieder hinauf und lief mit ihm zusammen am Auto vorbei, die Steintreppe hinauf ins Haus hinein.
Drinnen sah er sich kurz um, legte den Schlüssel auf den Couchtisch und drehte sich zur Küche, die zusammen mit dem Wohzimmer unten das Erdgeschoss bildete. Die Sonne ging langsam am Horizont unter und er konnte es kaum fassen, dass der Tag schon vorbei war.
"Also...worauf hast du Lust?", fragte er, weil er sich eigentlich sicher war, dass Josh auch Hunger haben musste.
Taro lief zum Kühlschrank und öffnete diesen, welcher sehr gut gefüllt war.
Warum das so war, war genau der gleiche Grund, warum auch die Möbel so neu waren.
Aber Taro wollte Josh noch nicht unbedingt davon erzählen.
Nicht, weil es ein Geheimnis oder dergleichen war...aber er fand es nicht sehr notwendig.

Josh kam herein und er reckte sich kurz.
Den Volleyball legte er vor der Treppe ab.
"Möglichst kein Fisch, sonst ist mir alles recht", meinte Josh und er lief Richtung Treppe nach oben.
"Ich geh mich noch kurz Duschen, okay?"

"Mach das", sprach ihm Taro zu und nickte freundlich.
Währenddessen sah er sich im Kühlschrank um und suchte sich einige Zutaten zusammen.
Schließlich holte er eine Pfanne aus dem Schrank über sich und etwas Öl.
Damit begann er dieses auf einer Flamme am Herd zu erhitzen und machte einige Gemüsesachen zurecht.
Für Taro war es nicht schwer zu kochen. Das hatte er sich selbst beigebracht, da er dem Fras im Zirkus lieber entgehen wollte.

Joshua lief die Treppe hoch zuerst ins Schlafzimmer.
Dort legte er den Fotoapperat auf das Bett und entledigte sich dann seiner Kleider,
griff sich ein Badetuch und verschwand im Bad.
Er liess eiskaltes Wasser durch die Dursche laufen und schloss seine Augen.
Der Tag bisher war anstregend gewesen, wirklich! Der Flug, die ganze Reise hierher, der Match.
nächstens würde er totmüde ins Bett fallen, auf jeden Fall.
noch einmal kam ihm der Puma in den Sinn.
Wie dumm von ihm, einfach so ohne Zauberstab zu gehn.
Josh rieb sich durch die Haare und trocknete sich dann ab mit dem Tuch.
natürlich, sein Körper war nichts im vergleich zu Taros durchtrainiertem Body.
Er trat schliesslich ins Schlafzimmer, zog sich einige Shorts an und betrachtete sich dann im nächstbesten Spiegel, den er fand.
Wie lächerlich er sich doch gerade vorkam und seufztend zog er sich ein leichtes T-Shirt an.
Danach ging er nach unten zu Taro.
"Und, läufts?"