RE: Haus von Frau Leni - 6

Frau Leni sass im Wohnzimmer unten und der Radio lief.
Sie war etwas eingenickt und erwachte nun wieder.
"Eden, bist du das?", klang ihre Stimme durch das Haus, während der Radio dann abgestellt wurde.
"Ach du meine Güte, Zeit, dass ich in den Frauenchor gehe."
Frau Leni kam in die Küche und griff sich ihren Hut.
"Weisst du, hätte ich es doch beinahe verpasst...schliesslich braucht man mich in der ersten Stimme!"

Eden, die auf einem Stuhl Platz genommen und sich etwas Wasser eingeschenkt hatte, um mal ein wenig entspannen und ausruhen zu können, wandte sich sogleich zu Frau Leni um und lächelte etwas auf.
"Dann bin ich ja zur rechten Zeit gekommen. Viel Spaß dort, Frau Leni", sprach sie und trank etwas aus dem Glas.
"Wann werden Sie denn zurücksein? Soll ich etwas zum Abendessen machen, oder hatten Sie schon?"
Für Eden war das kein Problem. Wenn die alte Dame weg war, würde sie einfach ihre Zauberkraft anwenden und fertig war.

"Oh, wir hatten schon", sagte Frau Leni und damit war also Cheung auch eingeschlossen.
Die gute Dame zog sich ihren Mantel über.
"Es wird spät bei mir, also nicht auf mich warten."
Sie lief zur Tür und öffnete diese.
"Ach, ehe ich es vergesse! Ich muss sagen, dass ich mich wohl in dem Inspektor geirrt habe und vielleicht doch etwas zu grob zu ihm war die letzte Zeit", gestand Molly dann. xD
"Während du nämlich weg warst, hat er die Wasserleitung im unteren Stock repariert und da hab ich ihn gebeten auch mal im Keller nachzusehn, ob dort alles stimmt. Und tatsächlich, er musste dort allerlei rumkrämpeln. Jedenfalls funktioniert jetzt entlich auch wieder die Heizung im unteren Bad, da muss ich nicht immer Treppensteigen so spät am Abend. Wirklich ein guter Mensch, hat sich den ganzen Nachmittag um mein Haus gekümmert. So, und das ist mein letztes Wort für heute Abend, muss nähmlich los, der Bus wartet nicht ewigs. Gute Nacht Eden. Der Junge schläft schon, wie ein kleiner Engel!"
Daraufhin winkte sie Eden und ging dann.

Eden nickte, als sie ihr sagte, dass sie schon hatten. Dann würde sie nur etwas kleines für sich machen.
Es ging ja schnell und dann würde sie zusehen, wie sie ihren Abend rumkriegen würde.
Eden erhob sich und stellte gerade noch das Glas in die Spühle, als sie hörte, was Frau Leni ihr da sagte.
Sie horchte auf. Ach, tatsächlich?
Dabei kam sie kaum umhin, etwas wärmer über Cheung zu lächeln.
Gut, dann würde sie jetzt wohl hoffentlich nicht mehr so mit ihm umspringen.
Ob das Wasser und die Brühe wohl geholfen hatte? Aber Eden schlug sich aus dem Kopf, danach zu fragen.
Wohlmöglich würde er sich ohnehin nur von ihr gestört fühlen!
"Das freut mich, zu hören. Aber ja...eigentlich hab ich es auch kaum anders erwartet."
Ja, das war vielleicht etwas gelogen.
Sie kannte ihn ja kaum und bisher war ihr nun wirklich immer etwas kühl entgegengetreten.
"Schönen Abend dann dort. Bis morgen, Frau Leni", verabschiedete sie die alte Dame noch und setzte sich wieder an den Küchentisch.
Dabei zog sie ihre Tüten zu sich heran und machte sich daran, die Kleidungsstücke herauszufischen und sorgfältig zusammen zu legen.

Eine Zeitlang war es nun Stille im Haus.
Der Radio lief nicht mehr, Eden schien alleine zu sein.
Doch unten vom Keller her hörte man hie und da einige Geräusche, eindeutig Cheung, der noch irgend etwas zum reparieren fand in dieser alten Bude.
Jedenfalls kam dieser irgendwann die Treppe hoch und öffnete die Küchentüre.
Cheung sah etwas geschafft aus und leicht dreckig von dem vielen Staub.
Er nickte Eden leicht zu und lief dann zu der Kaffemaschine, der er etwas Wasser aufsetzte und sich dann einen Kaffee rauslies.

Eden hatte sich gut Zeit genommen, alles sorgfälltig zurecht zu legen.
Denn wenn sie eins hasste, dann war das Unordnung. Und davon hatte sie in ihrem Leben derzeit leider zu viel.
Sie strich noch einen Pulli glatt, als Cheung hereinkam und so geschafft an die Kaffeemaschine trat.
Hatte er etwa tatsächlich immer noch gearbeitet?
Die ganze Zeit?
Eden war verblüfft. Das war eindeutig doch unerwartet.
Eigentlich hatte sie vermutet, er wäre schon längst fertig damit und die Geräusche, die zwar die ganze Zeit zu ihr hochgedrangen waren, hatte sie kaum beachtet. Dafür war sie zu sehr in ihren Gedanken versunken gewesen.
Die junge Frau wartete noch einen Moment, aber dann hielt sie es für gut, ihn wenigstens zu grüßen.
Auch wenn er für sie nur ein leichtes Nicken übrig gehabt hatte.
"Guten Abend, Mister Cheung", sprach sie dann und ging etwas neben ihn an den Herd, wobei sie aus einem der Schränke sich einen kleinen Topf und alles weitere hervornahm.
"Frau Leni sagte mir, was Sie heute schon den ganzen Tag geleistet haben."
Ihr Blick war auf ein Brett gerichtet und das Messer, was sie dazu legte.
"Schön, dass Sie sie da so unterstützen, obwohl sie nicht gerade nett zu Ihnen ist."

"Mhm", war Cheungs knappe Antwort und er roch kurz an dem Kaffee.
Ja, seinem Kopf ging es viel besser, sonst wäre er wohl den ganze Zeit flach gelegen.
Der Inspektor nahm ein paar Schlücke und strich sich den Schweiss von der Stirn.
Sein Blick fiel dann auf die vielen Einkaufstüten.
Von wegen er hätte sie falsch verstanden!
Also war sie doch shoppen gegangen...Frauen!
"Mh, etwas gefunden?", fragte Cheung, der dann zu den Tüten trat und etwas hinein spähte, während er den Kaffe dann auf dem Tisch absetzte.

Nun, da Cheung hier war, würde sie wohl doch mit der Hand kochen. Aber gut, es war eine Ablenkung.
Und damit hatte sie etwas tun, das passte. Da er nichts mehr sagte und der Kaffeemaschine weggetreten war, vermutete sie schon fast, er wäre wieder gegangen. Und diesen Moment wollte sie für sich nutzen, wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurückzukehren.
Sie setzte das Wasser also eiligst noch auf, drehte auf die richtige Stufe und dann geschah es..
Während sie sich umdrehte, begann er zu sprechen...aber genau in diesem Moment vollzog sich die Rückverwandlung.
Ihre Haare kürzten sie beachtlich, wurden nussbraun und auch ihre Augen nahmen die normale Färbung an. Ebenso ihr Gesicht wurde sichtlich etwas schmäler.
Eden blickte Cheung sprachlos entgegen und griff krampfhaft nach einem Gegenstand.
Ein Kochlöffel?
Okay, besser als nichts.
Sie umschloss den Stiel fest und verzog den Mund. Eigentlich hatte sie es doch nicht preisgeben wollen. Heute ging aber auch gar nichts gut, was das betraf.
Eden blickte weiterhin zu ihm und wie er in die Tüten schielte.
Darin war wirklich einiges zu sehen.
"S-sicher. Wir Frauen...finden doch immer etwas."

Cheung blickte zu Eden und seine Augen weiteten sich entgeistert.
Moment mal!
Das hatte er jetzt mitbekommen!
Irgend etwas hatte sich an ihrem Gesicht verändert, aber lag das an seinem Kopf?
Immer noch betrunken?
Er fasste sich kurz an die Stirn.
Nein!
Stopp, Zauberei.
Diese verbotene Sache in China und die man hier kannte.
"Sie sind eine Hexe", stellte Cheung fest und es klang schon fast wie ein Vorwurf.
"Waren laufen Sie nicht mit einem Zauberstab herum oder einem Besen?"

Eden blinzelte. Tatsächlich, sie hörte seinen Vorwurf sehr gut heraus. Und das passte ihr überhaupt nicht.
Wirklich bestens.
Nicht nur, dass sie sich selbst verraten hatte, nein. Er machte ihr auch noch einen Vorwurf. Einen Vorwurf.
Ihre Miene wurde dabei ernster und sie verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast meinen, das war eine rassistische Bemerkung", sprach sie.
Und natürlich fand sie, dass es sich so angehört hatte.
Immerhin schien er es nicht scherzhaft zu meinen, wie er fast nichts scherzhaft fand oder gar nicht.
Insgeheim fragte sie sich jetzt, ob er überhaupt einen Funken Humor besaß. xD
"Weil ich nicht so eine Hexe bin. Ich mag es lieber zu reisen, wie ihr Muggel. Ganz einfach."

Wie bitte, die Hexe sprach von Rassismus?
Hatte er da richtig gehört?
Unglaublich, dass jemand in solchem Ton zu ihm sprach!
Und zudem auch noch eine Frau!
Das war doch bloss eine einfache Feststellung gewesen und jetzt kam die auch schon mit Rassismus.
"Schön, okay."
Er hob seine Hände, um zu Beschwichtigen.
"Das ist bloss eine Feststellung gewesen."
Sie hätte ihn gefälligst auch vorwarnen können. xD
Was erwartete sie von ihm?
Was erwartete diese Hexe überhaupt von dem ganzen Asylantrag?
Das sie sich ausruhen konnte, shoppen all day long, Nachbarn beleidigen und nichtmal einen Job suchen.
Und den Jungen hatte sie heute schon wieder alleine gelassen!

Eden verzog den Mund.
"Jah, ist ja gut. Tut mir leid, dass ich gleich so ausfallend geworden bin", sprach sie dann sogar etwas kleinlaut, aber eins musste auf alle Fälle mal festgestellt werden! Nicht, dass er wirklich noch sonst was von ihr dachte!
Nun gut, eigentlich konnte ihr das wohl herzlich egal sein. Immerhin, nach den drei Monaten würden sie sich nicht mehr wiedersehen.
Aber dennoch legte Eden viel Wert auf ein erträgliches Klima untereinander. Sonst machte sie das nur noch verrückt.
Und im Moment hatte sie wirklich andere Probleme.
Sie legte den Kochlöffel an die Theke, ging zu den Tüten und trat etwas neben ihn.
Schließlich griff sie wahllos in eine der Tüten und holte einen Pulli heraus, den sie zusammengelegt hatte.
"Hier", wies sie ihn daraufhin. Am liebsten wollte sie ihm es noch in die Hand geben, dass er nicht doch einen Grund fand, ihr nicht zu glauben. xD
"Das ist keine Markenware. Das ist einfach nur gekauft. Und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, doch shoppen gewesen zu sein. Denn vielleicht ist Ihnen mein Äußeres heute noch nicht wirklich aufgefallen, aber das ist schon unter aller Kanone..", sie wies auf das bleiche Oberteil, das sie tragen musste.
"Ich hatte kein Gepäck, nichts. Nur noch etwas Geld auf meinem Konto und das wars. Und bevor sie jetzt den Schluss ziehen, ich hätte mir heute einen schönen Tag ohne meinen Jungen gemacht und habe das auch vorläufig vor...ha, da haben sie sich aber geschnitten, Mister. Ich war nur die letzten Minuten noch schnell unterwegs, um mir etwas zum Anziehen zu suchen, bis die Läden schließen. Zuvor war ich den ganzen Tag hier unterwegs gewesen, zufuß! Und habe mich um einen Job bemüht, weil ich einen guten Willen zeigen wollte. Und was habe ich getan? Weil ich nicht aufgegeben habe, habe ich tatsächlich etwas gefunden. Und glauben Sie mir, ich bin nicht hier, um mir die Miete zu ersparen....denn können Sie sich das eigentlich vorstellen, wie es ist, als gelernte Heilerin nun als Aushilfe in einem Blumenladen arbeiten zu müssen?"
Das alles kam wutentbrannt aus ihr heraus und kurz darauf tat es ihr schon wieder leid. Aber das musste mal gesagt werden!
"Ich...weiß nicht, wie es bei Ihnen steht oder warum Sie nicht einfach mal ein wenig lächeln können. Warum Sie nicht einfach wenigstens versuchen, besser mit Ihren Mitmenschen auszukommen. Ich weiß nur, dass ich im Moment andere Probleme habe. Und jetzt ist gut...ich habe schon wieder viel zu viel gesagt."
Daraufhin knüllte sie den Pulli zurück, lief schnell an den Herd und nahm den Topf herunter.

Cheung war durch und durch immer wieder kurz davor, sie zu unterbrechen, doch die Hexe war einfach zu schnell und in diesem Moment war der Chinese wirklich froh, dass er nicht alles verstand.
Aber was sie da redete war etwa das, was Carol ihm gegen ende ihrer Ehe auch immer wieder vorgeführt hatte: Gemecker, gemecker und nochmals gemecker.
Was wollte diese Frau eigentlich?
Ihm ihr ganzes Leben ausschütteln? [boah der is fies xD]
Na schön, schön, sollte sie.
Cheung griff sich genervt seinen Kaffee und schüttete sich dabei etwas über den Ärmel.
Klasse, auch das noch!
Alles kam auf einmal!
"Jetzt halten Sie endlich mal den Mund!", fauchte Cheung genervt und das eher, wegen seinem Kaffee, als wegen ihr.
Bei ihr hatte er sich eigentlich entschlossen, überhaupt nichts zu sagen, denn von der Scheidung her hatte er eines gelernt: Frauen reden lassen und den Rest selber denken.
Und daher tat es ihm auch schon leid, so mit ihr gesprochen zu haben, schliesslich war sie kein Objekt, dass man befehlen konnte.
"Warten Sie!", sagte Cheung, noch ehe diese irgendwie auf die Idee kam, wegzulaufen.
"Hören Sie, das war dumm von mir, tut mir leid. Ich weiss zwar nicht, was Sie da alles gesagt haben, aber etwas von einer Stelle, also schön. Dann habe ich mich gettäuscht. Entschuldigung."

Eden war also wieder an den Herd getreten, stützte sich aber direkt daneben an der Theke ab und atmete tief durch, wobei sie ihre Augen schloss. Dass er ihr gesagt hatte, sie solle endlich den Mund halten, hatte sie gott sei dank konsequent überhört.
Noch mehr Aufregung in dem Moment hätte das Fass wohl zum Überlaufen gebracht.
Ihre Handknöchel drückten sich sichtlich weiß hervor und sie versuchte immer noch, runterzukommen.
Und irgendwann gelang ihr das sogar, wobei er wohl den Versuch startete, sich bei ihr zu entschuldigen.
"Ja, ja, schon gut", murmelte sie daraufhin nur noch und in dem Moment wollte sie den Kerl einfach nicht mehr sehen.
Das war ja unmöglich.
Eden machte sich daran, etwas Gemüse vor sich zu schneiden und während sie das tat und immer noch nicht ganz wieder auf dem Stand Null war, schnitt sie sich tatsächlich in den Finger. Aber nein. Nicht nur einmal. Sondern zweimal, sogar dreimal, bis sie das Messer in die Spühle warf, welches noch etwas Blut verspritzte und sie sich die Hand an den Kopf legen musste.
Wie sie es hasste, so emotional werden zu müssen!
Wegen diesem ganzen Mist, den sie doch eigentlich hatte hinter sich lassen wollen.
Eden trat schweigend zu den Küchentüchern, zog ihren Zauberstab hervor und versorgte auf schnelle und unkomplizierte Weise ihre Wunde, die sich dann auch verschloss und nichts mehr zu sehen war. Außerdem reinigte sie alles, was sie beschmiert hatte.
"Ist schon gut, Mister Cheung", kam es auf einmal noch unerwartet von ihr, wobei sie sich wieder zu ihm umdrehte.
"Ich gestehe, ich war gerade zu sehr Frau und bin zu sehr über die Stränge geschlagen. Es tut mir leid. Und auch, dass ich sie so...zugelabert habe."

Als von Eden lange Zeit nichts mehr kam und die Arme damit beschäftigt war, sich andauernd in den Finger zu schneiden, hatte sich Cheung einen neuen Kaffee gemacht und ebenfalls geschwiegen.
Er musste heute noch Shao Mei anrufen, das fiel ihm jetzt gerade ein und war das nächste, was er tun sollte.
Aber zwischen seiner Zimmernachbarin hatte er sich ja mal was eingefädelt.
Eine wahnsinns Spannung, das war unangenehm.
Und jetzt?
Was tat man in solchen Fällen?
Ignorieren und auf den nächsten Streit warten, ha ha.
Da sprach sie auf einmal wieder mit ihm und nahm seine Entschuldigung an.
Eine gute Gelegenheit das ganze wieder gut zu machen.
"Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Miss Eden", sagte nun Cheung und er war bereit die ganze Schuld einmal auf sich zu ziehn.
Für dieses Mal.
"Ich mache mich kurz frisch, Sie essen hier etwas und danach gehn wir zusammen in ein Pub und versöhnen uns. Ich bezahle das ganze, als Entschuldigung, darüber, dass...ich Sie falsch eingeschätzt und behandelt habe."