RE: Alte Dachwohnung - 8

Lea schüttelte sanft auf das letzte hin den Kopf, da sie der Ansicht war, dass er sich ganz von ihr verwöhnen lassen sollte heute.
Schließlich nahm sie die Karotten, Sojasprossen, Frühlingsziebeln und alles hervor, was sie extra eigekauft hatte, und begann dieses dem Rezept in ihrem Kopf nach zuzubereiten.
Als er ihr von der Schule erzählte, horchte Lea auf und blickte sprachlos zu ihm nach hinten.
Wie?!
Nun...jah, sie hatte bereits davon gehört, dass es dort nicht gerade angenehm zu ging, aber dennoch!
Sie atmete ein wenig unverständlich aus und wandte sich mit ernsterem Gesicht wieder ihrem Essen zu.
"Du hast also Geschwister? Wie heißen sie? Hast du Kontakt zu ihnen, oder seht ihr euch oft?"
Für Lea war das Verhältnis zu ihm Bruder immer äußerst wichtig gewesen und auch heute noch.
Schade, dass er heut arbeiten musste. Und damit den Besuch verpassste.
Aber sie war sich sicher, dass das noch nachgeholt werden konnte!

Geschwister...
Ohja, die hatte Liyu.
"Es sind drei", sagte er.
"Zwei Brüder und eine Schwester. Ling, Mao und Cibu. Wir sehen uns mindestens einmal im Jahr, wenn wir unserer Ahnen gedenken...aber sonst..."
Liyu überlegte kurz.
"Wir probieren den Kontakt zu behalten. Aber das ist nicht immer leicht. China ist so gross und wir alle haben viel zu tun. Lea, wie heisst du eigentlich mit Nachnamen?"

Lea lächelte, während sie mit dem Rücken zu ihm weiterhin das Essen vorbereitete.
Jah, das konnte sie sehr gut verstehen. China war tatsächlich sehr groß und wenn sie auf das ganze Land verteilt waren, war es ein Wunder, wenn sie sich überhaupt mal zu Gesicht bekamen. Also Hut ab auch vor diesem lediglich einen Treffen pro Jahr!
Lea hing ihren Gedanken nach und versuchte sich seine Geschwister vorzustellen.
Nur zu gerne wollte sie diese einmal kennen lernen und natürlich auch Liyus Eltern.
Aber...das war nur Wunschdenken, nichts, was sich wohl erfüllen ließe.
"Ähm...wie-?", fragte Lea, die die letzte Frage fast überhört hätte, so abwesend hatte sie darüber nachgedacht.
"Wie ich mit-? Oh.."
Lea lachte und drehte sich zu ihm.
"Ein allerwelts Name. Darf ich mich vorstellen? Lea Li", dabei machte sie eine gespielte und angedeutete Verbeugung und zwinkerte ihm lächelnd zu.
"Ich habe auch zwei Geschwister, weißt du. Nur...meine Schwester habe ich schon sehr lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zwar muss sie auch hier irgendwo in England herumgeistern, aber fragt sich nur...wo. Jedenfalls bin ich nicht allzu gut auf sie zu sprechen, da sie sich ewig nicht gemeldet hat. Und mir der Zusammenhalt der Familie besonder ist. Jamiro - mein Bruder - lebt übrigens hier. Nur...er ist leider viel arbeiten und auch heute. Das tut mir leid."

Lea Li.
Das passte.
Ein wirklich schöner Name.
Ihr Bruder lebte also hier, schade war er heute arbeiten.
"Ich will ihn gerne kennen lernen", sagte Li daraufhin entschlossen.

Lea lächelte sanft und war schließlich mit dem Vorbereiten fertig.
Das ganze musste jetzt jedoch noch eine halbe Stunde einziehen, weshalb sie zu Liyu an die Couch lief und sich neben ihm niederließ.
"Weißt du...manchmal ist er echt süß", sprach sie und kuschelte sich an Liyu.
"Wir haben hier eine Halle im Viertel, dort gebe ich meistens meine Tanzstunden. Und dann sonntags...wenn ich es überhaupt nicht erwarte und mir gerade einen neuen Tanz ausdenke, steht er plötzlich an der Tür und sieht mir nichtssagend dabei zu."
Lea hob den Kopf und lehnte diesen sanft an die Schulter des Chinesens.
"Aber dann kann ich an seinen Augen ablesen, dass es ihm gefällt und dass er stolz auf mich ist."
Kurz hielt sie inne und schielte zu ihm auf.
"Wenn wir das also machen wollen, mit der Gratistanzstunde am Sonntag, wird er sicher auch kommen. Was sagst du?"

Das konnte sich Liyu gut vorstellen.
Und so wie sie es erzählte, schien Lea auch auf ihn stolz zu sein.
Die beiden mussten sich wirklich gut verstehn.
"Es ist schön zu wissen, wenn man nicht alleine ist."
Daraufhin nahm er ihre Hand und blickte in ihre Augen.
"Sonntag ist gut, ich sollte sowieso wieder einmal trainieren. Ohne dich, würde mir diese Zeit in England nicht gut bekommen."

Lea lachte und kuschelte sich erneut an ihn.
Es war sehr schön, was er da sagte und es schmeichelte ihr ungemein. Sie war sehr froh, ihn zu haben.
Oh und bei Zizou musste sie sich auch noch bedanken! Ohne sie wären sie sich wohl nie begegnet.
Wobei...dann musste sie sich aber auch noch bei Lee bedanken. Na ja...vielleicht trafen sie ja zu viert nochmal zusammen.
Vielleicht machten sie ja sogar mal noch einen Ausflug zu viert, bevor die beiden wieder abreisen mussten.
Das würde sie ja noch sehen.
"Ich weiß gar nicht, was du hast. Du bist doch in Topform! Da kann ich nur neidisch werden", erzählte sie ihm und zupfte an seinem Hemd herum, um auf seinen sportlichen Körper hinzuweisen.
"Oder etwa nicht? Aber ob du's glaubst oder nicht...du tust mir auch gut. Danke."

"Wenn ich nicht genug trainiere, kann ich niemals den Spagat lernen", sagte Liyu und das war im Moment auch sein Hauptziel.
Er drückte Lea an sich und lächelte.
Du tust mir auch gut.
Wirklich, hier hatten sich zwei gefunden und mit Lea an der Seite fand er sich einfach verstanden und geliebt.

"Ich will, dass du mir etwas vorsingst!", verlangte sie plötzlich und richtete sich aufmerksam auf.
"Jah? Bitte! Du kriegst sogar einen Extrakuss dafür...na, ist das nicht verlockend?"
Sie lächelte engeglsgleich und nahm seine Hand, welche sie drückte und ihn mit leuchtenden Augen betrachtete.
"Bitte, ja? Nur ein Lied. Lass deine wundervolle Stimme mein Herz höher schlagen..."

Liyu blickte zu Lea.
Wollte sie wirklich?
Also gut, er nahm sie beim Wort!
"Willst du zwei Stimmen oder nur Frauenstimme?", fragte er sie.

"Zwei", überlegte Lea auch gar nicht lange und betrachtete ihn noch voller Spannung.
Hach, wirklich, egal was er tat...er war umwerfend. Sie war sehr froh, dass er bei ihr war.
Lieblich begann sie nun zu lächeln und Liyu anzufeuern.
"Looooos", drückte sie seine Hand erneut und wurde schon ganz hibbellig.
Tjaja, das war sie eben manchmal..eine Nervensäge. Aber sie stand dazu.
Und damit er ihr endlich ein Lied sang, war ihr jegliches Mittel recht. xD

"Jaja, ganz ruhig lass mir die Zeit!", sagte Liyu und er musste schmunzeln.
Dann entschied er sich für ein Lied und räusperte sich kurz.
Er blickte gezielt auf Lea und begann zu singen.
Er hatte sich etwas ausgesucht, was auch gut ging ohne Instrumente und daher auch nicht allzu viele Melodieschwankungen benötigte.
Die erste Strophe sang er mit seiner normalen Männerstimme, während er in der zweiten wechselte auf Frau und bei der dritten dann je pro Satz die Stimmen variierte und somit ein Duett zwischen Mann und Frau kreiierte.
Als er fertig war, machte er eine angehauchte Verbeugung.
"Danke fürs Zuhören."

Lea strahlte, während sie ihm zuhörte und es war ganz genau das, was sie hören wollte.
Er war wirklich ein bombastischer Künstler...hatte sie ihm das eigentlich schon gesagt?
Wie er sang...das Lied fast lebte, in solch Leidenschaft.
Liyu war ihr ein großes Vorbil geworden, allemal.
Denn er hatte es bereits schon weit gebracht und Lea wusste nun, dass man mit ein wenig Glück und viel Können alles schaffen konnte.
Und daher hatte sie sich fest vorgenommen, alles darum zu geben, um wenigstens etwas Aufmerksamkeit zu bekommen, was das tanzen anbelangte.
"Du hast eine wundervolle Stimme, weißt du das?", fragte Lea, ein wenig in Gedanken wirkend und sehr viel ruhiger als sonst.
"Ein Grund mehr, dich lieben zu müssen und Zeit mit dir verbringen zu wollen."
Das sprach sie, während sie wieder zu Liyu aufsah und ihre Miene erneut weicher und liebevoller wurde.

Liyu lächelte.
Dieses Kompliment bedeutete ihm sehr viel.
Es würde ihn doch ein wenig mitnehmen, wenn Lea seine Musik nicht gefallen würde.
Aber es gefiel ihr und so war er glücklich darüber.
"Und jetzt musst du mir etwas vortanzen, etwas, das du gerne für dich tanzt und worauf du stolz bist."

Lea überlegte einige Zeit und da fiel ihr ein Lied ein, das sie sehr gerne hörte.
Die Chinesin ließ Liyu daraufhin los, stand von der Couch auf, schob das Tischchen etwas zur Seite, und war jetzt ganz froh, dass sie nur ein Kleidchen trug, das sie keinesfalls stören würde, bei dem Tanz, der ihr in den Sinn kam.
Lea schloss ein wenig die Augen, stellte ihren rechten Fuß auf die Zehenspitzen, legte ihre linke Hand an die Hüfte und lauschte ihrer inneren Melodie, um den richtigen Zeitpunkt abzupassen, dass sie beginnen konnte.
Jah, Lea hatte sich mit Absicht einen solchen Tanz zur Vorführung ausgesucht. Mit vollem Bewusstsein, weil er ihr etwas bedeutete.
Schließlich glitt ihr linker Arm zuerst zur Seite nach oben und der rechte folgte kurz darauf, während sie diese in zarten Bewegungen Teil an ihrem Tanze haben ließ.
Lea hielt die Augen weiterhin geschlossen, vollführte nun eine sanfte Drehung, hielt mit dem Rücken zu Liyu inne, hob ein Bein an, drückte ihren Rücken nach hinten durch und nahm ihre Arme und Hände weiterhin zur Hilfe, um das Gesamtbild zu untermalen. Als das Lied in ihr schneller wurde, löste sich Lea in ihrer Haltung, nahm eine genau bestimmte Haltung ein und drehte durch das Wohnzimmer ihre klein bemessenen, doch ausdrucksvollen Piruetten.
Ja, tatsächlich. Lea hatte früher Balettunterricht genommen und übte noch heute fleißig weiter, um diese Tanzrichtung auch jeweils in ihren Choreografien oder Tanzstunden unterzunbringen.
Immer noch vollkommen blind für ihre Umwelt, doch Liyu genau spührend und seinen Blick, hielt Lea abermals einen Moment inne, doch traf es sich, dass sie dies auch direkt in eine nächste bedeutungsvolle Bewegung übergehen ließ.
Ihre Haltung war präzise darauf festgelegt und während einigen weiteren Drehungen machte Lea einen sanften Hüpfer...und noch einen...und noch einen.
Ihre Miene war ganz weich und liebevoll geworden, da aus ihr die Leidenschaft sprach.
Die Leidenschaft für's ausdrucksvolle Tanzen.
Die Leidenschaft dafür, dass er sie betrachtete und dass sie seinen Blick auf sich spührte.
Nichts wollte sie in diesem Moment lieber, als dass er sie betrachtete und stolz auf sie war.
Lea drehte und wandte sich. Ihre Bewegungen waren dezent und ihr ganzer Tanz von großer Zärtlichkeit.
Lea tänzelte schweigend durch den Raum und erzählte wieder einmal eine längst vergessene Geschichte.
An manchen Stellen schien es sogar so, als würde es ihr fast das Herz brechen, weiterzutanzen, aber Lea hielt durch.
Während des ganzen Tanzes dachte sie an ihre Schwester Cho und wie diese damals einfach davon gegangen war.
Für diese war der Tanz komponiert wurden...um damit klarzukommen, damit fertig zu werden.
Daraus ließ sich also schließen, dass ihre Bewegungen schon sehr alt waren und es nichts neues war, was sie dort vollführte.
Aber doch, das war es.
Liyu war der erste, ausgenommen vielleicht Jamiro und das konnte sie auch nicht mit Sicherheit sagen, der dies zu sehen bekam.
Und eben genau deshalb bedeutete Lea das Ganze ja auch so viel.
Auch wenn es sie schmerzte, war es gleichzeitig sehr befreiend, davon zu berichten, ohne reden zu müssen.
Denn das musste sie in seiner Gegenwart nicht und das wusste sie.
Ein weitere Drehung, eine weitere Handbewegung...sogar ein leises Schluchzen, doch sie konnte nicht aufhören.
Nicht jetzt.
Einmal damit begonnen, unterstand sie einem unbekannten Zwang, fortzufahren.
Sie hoffte, er würde verstehen..